OGH: Tunlichkeit der Naturalrestitution iZm Schäden an Nachbarliegenschaft
Die Frage, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Grundeigentümer in der Lage des geschädigten Klägers den früheren Zustand der Grundfläche trotz eines die objektive Wertminderung übersteigenden Instandsetzungsaufwands wiederherstellen würde, um das Grundstück entsprechend nutzbar zu machen, ist eine unter Abwägung aller Umstände zu treffende Einzelfallbeurteilung
§ 1323 ABGB, § 364b ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 5 Ob 23/17v, 01.03.2017
OGH: Es entspricht stRsp, dass auch auf nachbarrechtliche Ansprüche § 1323 ABGB anzuwenden ist. Der OGH hat sich auch mit Fragen der Tunlichkeit der Naturalrestitution in diesem Kontext bereits mehrfach befasst. Grundsätzlich gilt, dass nach § 1323 ABGB ein Schaden in erster Linie durch Zurückversetzen in den vorigen Stand auszugleichen ist. Nur wenn dies nicht möglich oder untunlich ist, soll der gemeine Wert/Schätzwert ersetzt werden. Nach dem ABGB ist demnach primär die Naturalherstellung und nur subsidiär der Geldersatz vorgesehen. Naturalrestitution scheidet wegen Untunlichkeit nur dann aus, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Mühe erfordert.
Diesen auf den Vorrang der Naturalrestitution abstellenden Grundsätzen kommt im besonderen Maß bei Liegenschaften Geltung zu, sodass der Tunlichkeit der Wiederherstellung (§ 1323 ABGB) grundsätzlich keine engen Grenzen zu ziehen sind. Bei Beschädigung solcher Güter ist – ähnlich wie bei Sachen ohne Verkehrswert – auf die Sichtweise eines wirtschaftlich vernünftig handelnden Menschen, der den Schaden selbst zu tragen hätte, abzustellen. Die Frage, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Grundeigentümer in der Lage des geschädigten Klägers den früheren Zustand der Grundfläche trotz eines die objektive Wertminderung übersteigenden Instandsetzungsaufwands wiederherstellen würde, um das Grundstück entsprechend nutzbar zu machen, ist eine unter Abwägung aller Umstände zu treffende Einzelfallbeurteilung.
Nach Einstellen der Arbeiten auf der Liegenschaft der Beklagten, wurde die Baugrube verfüllt. Dadurch wurde auf der Liegenschaft der Beklagten ein inhomogener Körper geschaffen, der – rein als Last betrachtet – die ursprünglichen Spannungsverhältnisse wiederhergestellt hat. Abhängig von der Art einer allfälligen Bebauung dieser Liegenschaft sind weitere Sanierungsmaßnahmen erforderlich, um rechnerisch aus geologischer und bodenmechanischer Sicht einen Zustand der Liegenschaft des Klägers zu erreichen, der dem des Jahres 2008 entspricht. Der Kläger zieht nicht mehr in Zweifel, dass das vom Sachverständigen unter der Variante b) angeführte Sanierungskonzept untunlich ist, weil es einen Aufwand erfordern würde, der etwa dem dreifachen des Liegenschaftswerts entspricht. Er zielt mit seinen Revisionsausführungen aber auf Geldersatz für die vom Sachverständigen in der Sanierungsvariante a) angeführten Arbeiten ab. Dazu hat aber bereits das Berufungsgericht grundsätzlich zutreffend angemerkt, dass die damit verbundenen Maßnahmen keine für alle künftig möglichen Bebauungsarten auf der Liegenschaft der Beklagten eine dem früheren Zustand der Liegenschaft des Klägers gleichwertige Stabilisierung bieten. Auch übergeht der Kläger, dass diese Sanierungsvariante auf der Vornahme von Erdarbeiten beruht, die nicht nur auf den Liegenschaften der Streitteile, sondern auch auf anderen Grundstücken, die nicht in ihrem Eigentum stehen, erforderlich sind, um rechnerisch eine Stabilität wie vor dem schädigenden Ereignis zu erreichen. Die Sanierungsvariante, wie sie der Kläger seiner Geldersatzforderung zugrunde legt, bedeutet damit einen Eingriff in die Rechte Dritter. Schon ausgehend davon liegt keine vom OGH im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vor, wenn es die Tunlichkeit einer Naturalrestitution auch in der Variante a) des Sachverständigengutachtens verneinte. Abgesehen davon haben die Beklagten bereits in ihrer Berufungsbeantwortung bemängelt, dass die in der Variante a) festgestellte Position für „Bepflanzung“ in der Höhe von 131.800 EUR auf einem irrigen Verständnis des Sachverständigengutachtens beruht. Zieht man aber den nach richtigem Verständnis auf die Liegenschaft des Klägers entfallenden Teil dieser Position heran, ergibt sich ohnedies, dass ihm auch nach der Variante a) unter dem Titel Geldersatz für Naturalrestitution kein höherer Betrag gebührt, als die von den Vorinstanzen als objektive Wertminderung ermittelte Entschädigung.