02.05.2017 Zivilrecht

OGH: Mieterkündigung iSd § 33 MRG via E-Mail?

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass für die wirksame Kündigung eines Bestandverhältnisses durch den Mieter gem § 33 Abs 1 MRG aus Gründen der Rechtssicherheit und des vom Gesetz intendierten Schutzes des Mieters die strenge Schriftform iSd Unterschriftlichkeit erforderlich ist, stellt keine durch den OGH korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar; vielmehr bietet das Verfassen und Versenden einer einfachen, nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur iSd § 4 Abs 1 SigG (aF) versehenen E-Mail keinen der eigenhändigen Unterfertigung eines Schriftstücks gleichwertigen Übereilungsschutz, da es an einem Akt fehlt, der die Bedeutung der Vertragserklärung besonders augenscheinlich macht


Schlagworte: Mietrecht, Mieterkündigung via E-Mail, Schriftlichkeit, qualifizierte elektronische Signatur
Gesetze:

 

§ 33 MRG, § 886 ABGB, § 4 SigG aF

 

GZ 8 Ob 102/16g, 28.03.2017

 

OGH: Gem § 33 Abs 1 MRG können Mietverträge vom Mieter gerichtlich oder schriftlich, vom Vermieter jedoch nur gerichtlich gekündigt werden.

 

Im Unterschied zur gerichtlichen Aufkündigung, die nach der Rsp zurückgenommen werden kann, sofern Einwendungen erhoben wurden, ist die rein privatrechtlich zu beurteilende außergerichtliche Aufkündigung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Annahme durch den Gegner bedarf und ihre Wirkung mit Zugang entfaltet.

 

Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor. Einfache, nicht mit elektronischer Signatur versehene E-Mails entsprechen mangels Unterschrift nicht dem Schriftformerfordernis des § 33 Abs 1 MRG.

 

Die Bestimmung des § 886 ABGB über das Erfordernis der Unterschrift ist nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für welche das Gesetz, ohne eine entsprechende Einschränkung zu machen, Schriftlichkeit normiert. Das Erfordernis der Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

 

Die Rsp hat die Maßgeblichkeit des § 886 ABGB regelmäßig auch in Fällen bejaht, in denen das MRG die Schriftform verlangt.

 

Nur im Einzelfall kann einem gesetzlichen Schriftlichkeitsgebot auch ohne Unterfertigung einer Erklärung entsprochen werden; die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen richtet sich nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots. Eine teleologische Reduktion von Formvorschriften ist aber mit größter Vorsicht handzuhaben.

 

Der OGH hat im Anwendungsbereich des MRG die bloße Textform ohne Unterschrift in Fällen genügen lassen, in denen es nur um die Erfüllung von Informationspflichten, also darum geht, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen.

 

Davon zu unterscheiden ist aber die Abgabe von Willenserklärungen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass für die wirksame Kündigung eines Bestandverhältnisses durch den Mieter gem § 33 Abs 1 MRG aus Gründen der Rechtssicherheit und des vom Gesetz intendierten Schutzes des Mieters die strenge Schriftform iSd Unterschriftlichkeit erforderlich ist, stellt keine durch den OGH korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

 

Vielmehr bietet das Verfassen und Versenden einer einfachen, nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur iSd § 4 Abs 1 SigG (aF) versehenen E-Mail keinen der eigenhändigen Unterfertigung eines Schriftstücks gleichwertigen Übereilungsschutz, da es an einem Akt fehlt, der die Bedeutung der Vertragserklärung besonders augenscheinlich macht.