OGH: § 364 Abs 3 ABGB – zur Frage der Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit durch „Entzug von Licht bei Burganlagen“
Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beschattung eines seit jeher in einem Wald liegenden Bauwerks durch schon bei Erwerb des Grundstücks 2014 bereits jahrzehntelang (seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre) dort wachsender Waldbäume, die beim Ankauf der Liegenschaft wohl bereits zwanzig Meter und mehr hoch waren; die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass unter solchen Gegebenheiten der Entzug von Licht durch einen unmittelbar angrenzenden Wald – mit hohen Bäumen – ortsüblich ist, ohne dass es weiterer Vergleiche bedürfte, ist zumindest vertretbar
§ 364 ABGB
GZ 4 Ob 44/23h, 28.03.2023
OGH: Die Vorinstanzen haben die nachbarrechtlichen Grundsätze zum am 1. 7. 2004 in Kraft getretenen § 364 Abs 3 ABGB und die hierzu ergangene Rsp vollständig und richtig dargelegt. Demnach kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das (iSd Abs 2 leg cit) nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen; eine – wie hier begehrt und von der Klägerin auch vorgebracht – bloß „wesentliche“ Beeinträchtigung iSd Abs 2 leg cit reicht hingegen nicht.
Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Auslegung der vom Gesetz verwandten unbestimmten Begriffe der Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit und die dabei nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab anzustellende Interessenabwägung begründet – vom Fall einer (hier nicht vorliegenden) korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
Dass sich neu hinzukommende Nachbarn mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden müssen, entspricht stRsp; das Berufungsgericht hat etwa bereits erkannt, dass jemand, der ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald erworben hat, nicht – gestützt auf § 364 Abs 3 ABGB – die Beseitigung des Waldes fordern kann. Warum dies in einem Fall wie hier, bei dem es sich beim Gebäude um eine Burganlage handelt, grundsätzlich anders beurteilt werden sollte, ist nicht ersichtlich; die Revision geht auf die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts auch gar nicht ein.
Die Klägerin legt das Schwergewicht ihrer Argumentation darauf, dass sie nicht mit dem „unbegrenzten Wachstum“ der Bäume bis zur „maximalen Wuchshöhe“ in Burgnähe habe rechnen müssen. Warum dies in einem seit jeher bestehenden Wald so sein sollte, legt sie allerdings nicht nachvollziehbar dar. Insbesondere wird in der Revision weder konkret begründet noch ist es ersichtlich, dass der Klägerin besondere Umstände zugute kämen, die ihren Unterlassungsanspruch begründen könnten. Solche Umstände wurden in der Rsp etwa in Fällen bejaht, in denen die Gefährdung von Personen und Sachen begründende Starkastüberhänge infolge mangelhafter Pflege des Baumbestands oder unbegrenzte waldwuchsartige Verwilderung in einem zuvor mit Jungbäumen gartenmäßig gestalteten geschlossenen Siedlungsgebiet feststanden.
Eine diesen Fällen vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor; der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beschattung eines seit jeher in einem Wald liegenden Bauwerks durch schon bei Erwerb des Grundstücks 2014 bereits jahrzehntelang (seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre) dort wachsender Waldbäume, die – wie die Revision selbst in Erwägung zieht – beim Ankauf der Liegenschaft wohl bereits zwanzig Meter und mehr hoch waren.
Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass unter solchen Gegebenheiten der Entzug von Licht durch einen unmittelbar angrenzenden Wald – mit hohen Bäumen – ortsüblich ist, ohne dass es weiterer Vergleiche bedürfte, ist zumindest vertretbar; welchen Vergleich zur Ortsüblichkeit die Revision in diesem Zusammenhang vermisst, ist nicht nachvollziehbar.
Unter solchen Umständen zusammengefasst weder Ortsunüblichkeit noch (auch in der Revision nicht einmal erwähnte) Unzumutbarkeit erkennen zu können, hält sich vielmehr im Rahmen der Rsp und des den Gerichten im konkreten Einzelfall notwendigerweise zukommenden Ermessensspielraums.
In Ansehung des Kaufzeitpunkts liegt schon im Hinblick auf die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen zum damaligen Baumbestand kein rechtlicher Feststellungsmangel vor.
Warum der Baumbestand und insbesondere die konkrete Wuchshöhe in den 1970er Jahren im Lichte der dargelegten Rechtslage von Relevanz sein sollten, lässt die Revision nicht erkennen; auch hier liegt kein sekundärer Feststellungsmangel vor.