OGH: Ausschluss der Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers für Bergungskosten und Kosten der Beförderung für Unfälle in Ausübung von Sport und Touristik – zur Auslegung des Unfallbegriffs nach § 131 Abs 4 ASVG
Der Leistungsausschluss des § 131 Abs 4 ASVG besteht nur bei („Freizeit“-)Unfällen (in Ausübung von Sport und Touristik), nicht aber bei den in § 131 Abs 3 ASVG genannten plötzlichen Erkrankungen und ähnlichen Ereignissen; im Hinblick darauf, dass auch in der Unfallversicherung der Begriff des Unfalls zur Einengung der Leistungspflicht der Unfallversicherung gegenüber anderen krankheitsbedingten Gesundheitsstörungen dient, kann für § 131 Abs 4 ASVG auf den von der Rsp für die Unfallversicherung entwickelten Unfallbegriff zurückgegriffen werden
§ 131 ASVG, § 175 ASVG
GZ 10 ObS 67/11t, 04.10.2011
OGH: In § 131 Abs 3 ASVG ist das Recht des Krankenversicherten verankert, bei im Inland eingetretenen Unfällen, plötzlichen Erkrankungen und ähnlichen Ereignissen den nächsterreichbaren Arzt bzw eine Krankenanstalt in Anspruch zu nehmen, falls ein/eine Vertragsarzt/Vertragsärztin, eine Vertragsgruppenpraxis, eine Vertragskrankenanstalt oder eine eigene Einrichtung des Versicherungsträgers für die ärztliche Hilfe (Anstaltspflege) nicht rechtzeitig die notwendige Hilfe leisten kann. In solchen Fällen hat der Versicherungsträger ua für die dem Versicherten tatsächlich erwachsenen Transportkosten den in der Satzung festgesetzten Ersatz zu leisten. Bei Unfällen in Ausübung von Sport und Touristik sind Kosten für die Beförderung bis ins Tal jedoch nicht zu ersetzen (§ 131 Abs 4 ASVG).
Zum Regelungszweck des § 131 Abs 4 ASVG lässt sich aus den Entscheidungen 10 ObS 2415/96m und 10 ObS 247/02z ableiten, dass eine Haftungsbefreiung für Berge- und Transportkosten bei Unfällen erreicht werden sollte, zu denen es kommt, weil sich jemand freiwillig zu Erholungszwecken extremem Gelände und damit den allgemein bekannten Gefahren am Berg aussetzt.
Der Leistungsausschluss des § 131 Abs 4 ASVG besteht demnach nur bei („Freizeit“-)Unfällen (in Ausübung von Sport und Touristik), nicht aber bei den in § 131 Abs 3 ASVG genannten plötzlichen Erkrankungen und ähnlichen Ereignissen. Tritt daher eine behandlungsbedürftige plötzliche Erkrankung auf, kann allein der Umstand, dass sich der Versicherte zu Erholungszwecken in den Bergen aufhält, den Krankenversicherungsträger nicht von der Leistungspflicht für Transportkosten entbinden.
Daraus resultiert die Notwendigkeit, eine Abgrenzung des in § 131 Abs 4 ASVG verwendeten Unfallbegriffs von dem Begriff der „plötzlichen Erkrankung“ (bzw einem „ ähnlichen Ereignis“) vorzunehmen.
Der Gesetzgeber des ASVG setzt den Begriff des Unfalls als bekannt voraus und hat damit der LuRsp die Aufgabe zugedacht, eine Definition vorzunehmen. Im Hinblick darauf, dass auch in der Unfallversicherung der Begriff des Unfalls zur Einengung der Leistungspflicht der Unfallversicherung gegenüber anderen krankheitsbedingten Gesundheitsstörungen dient, kann für § 131 Abs 4 ASVG auf den von der Rsp für die Unfallversicherung entwickelten Unfallbegriff zurückgegriffen werden.
Hyperventilation ist eine über den Bedarf gesteigerte Lungenbelüftung, die mit einer Abnahme des Kohlenstoffdioxid-Partialdrucks (CO2) und einem pH-Anstieg im Blut einhergeht. Zu einer akuten Hyperventilation als Störung der Atemregulation kann es aus psychischen, aber auch körperlichen Ursachen kommen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch262; Springer Lexikon Medizin).
Im vorliegenden Fall war die beim Kläger aufgetretene Hyperventilation, die die bedrohlich wirkenden Krampf- und Lähmungserscheinungen bewirkt hat, durch die mehrstündige körperliche Anstrengung beim Wandern im Gebirge in Kombination mit der bereits bestehenden Durchfallerkrankung bedingt und somit durch die als zeitlich begrenztes, von außen einwirkendes Ereignis zu qualifizierende Kraftanstrengung beim Aufstieg im Gebirge wesentlich mitverursacht. Diese Kraftanstrengung muss gerade als vom Risikoausschluss des § 131 Abs 4 ASVG umfasst beurteilt werden, weil sich der Kläger freiwillig und zu Erholungszwecken als Bergtourist in unwegsames Gelände begeben hat. Es liegt daher ein Unfall iSd § 131 Abs 4 ASVG vor.
Der in § 44 Abs 7 Z 3 der Satzung normierte Ausnahmefall, in dem diese Kosten doch übernommen werden, sofern der Flugtransport auch dann erforderlich wäre, wenn sich der Unfall im Tal ereignet hätte, liegt nach den Feststellungen nicht vor.
Daraus folgt, dass die Kosten der Beförderung mittels Hubschrauber ins Tal nicht ersetzt werden. Zu ersetzen sind lediglich die Beförderungskosten vom im Tal erreichbaren Parkplatz zum Diakonissen-Krankenhaus Schladming mittels Rettungswagens. Die Höhe dieser Beförderungskosten bleibt von der Revision unbekämpft.