20.07.2011 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob auch der Ausstattungsanspruch nach § 1220 ABGB als Unterhaltsanspruch iSd § 1327 ABGB zu verstehen ist?

Der Ausstattungsanspruch nach § 1220 ABGB ist ein Schadenersatzanspruch iSd § 1327 ABGB; der Umstand, dass der Ausstattungsanspruch des Kindes erst (lange) nach dem Unfalltod seiner Mutter entstanden ist, vermag den Schädiger ebenso wenig zu entlasten, wie die höchstpersönliche Natur des Anspruchs und dessen grundsätzliches Erlöschen mit dem Tod des (der) Verpflichteten; entscheidend ist, ob der Anspruch bei fiktivem schädigungsfreiem Verlauf noch zu Lebzeiten der Mutter des Kindes entstanden wäre


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftung bei Tötung, Unterhalt, Ausstattung
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1220 ABGB

GZ 2 Ob 57/10m, 27.01.2011

 

Am 10. 5. 1986 verschuldete der Lenker eines bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs einen Verkehrsunfall, bei dem die damals 26-jährige Mutter des 1982 geborenen Klägers getötet wurde.

 

OGH: Der Kläger stützte sein Begehren auf Ersatz des ihm entgangenen Ausstattungsanspruchs auf § 1327 ABGB. Danach muss, wenn aus einer körperlichen Verletzung der Tod erfolgt, den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden. Diese Bestimmung enthält eine Sonderregel zugunsten mittelbar Geschädigter und gewährt nach stRsp den nach dem Gesetz unterhaltsberechtigten Personen einen originären Anspruch auf Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung, jedoch keinen Unterhaltsanspruch. Da die zustehenden Schadenersatzansprüche in § 1327 ABGB erschöpfend aufgezählt sind, kommt ein Ersatz nur für entgangene Leistungen mit Unterhaltscharakter in Betracht. Die Hinterbliebenen sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre. Dabei ist von den Verhältnissen (bis) zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen sind, soweit möglich, bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen.

 

Durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, wurde mit Inkrafttreten am 1. 1. 2010 (Art 18 § 2 leg cit) der Ausstattungsanspruch der Kinder (unter Aufhebung des bis dahin in Geltung gestandenen § 1231 ABGB) geschlechtsneutral in § 1220 ABGB geregelt. Die Voraussetzungen des Anspruchs blieben dieselben, sodass auf die bisherige Judikatur zurückgegriffen werden kann.

 

Zweck des Ausstattungsanspruchs nach § 1220 ABGB ist eine angemessene Starthilfe bei der Gründung einer eigenen Familie durch das Kind. Damit erfüllen die Eltern letztmals ihre Unterhaltsverpflichtung. Der Anspruch auf Bestellung einer Ausstattung ist daher seiner Rechtsnatur nach im weitesten Sinn ein Unterhaltsanspruch und unterliegt - mit gewissen Einschränkungen - unterhaltsrechtlichen Grundsätzen.

 

Diese ständige, im Schrifttum gebilligte Rsp gründet ua auf der mehrfach veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 124/72, auf die sich auch die Vorinstanzen beriefen. Dort wurde nach Auseinandersetzung mit der älteren Lehre der Unterhaltscharakter einer dem Kind nach § 1220 ABGB (damals noch: Heiratsgut) geschuldeten Leistung iSd § 1327 ABGB ausdrücklich bejaht. Diese Rechtsansicht blieb im Schrifttum unwidersprochen und wird in den einschlägigen Kommentaren ausnahmslos zustimmend zitiert.

 

Trotz des Vorliegens nur einer einzigen, älteren Entscheidung ist unter den genannten Voraussetzungen von einer gesicherten Rsp des OGH auszugehen.

 

Der Umstand, dass der Ausstattungsanspruch des Klägers - anders als in dem zu 2 Ob 124/72 entschiedenen Fall - erst (lange) nach dem Unfalltod seiner Mutter entstanden ist, vermag den Schädiger ebenso wenig zu entlasten, wie die höchstpersönliche Natur des Anspruchs und dessen grundsätzliches Erlöschen mit dem Tod des (der) Verpflichteten.

 

Entscheidend ist vielmehr, ob der Anspruch bei fiktivem schädigungsfreiem Verlauf noch zu Lebzeiten der Mutter des Klägers entstanden wäre; dies hat auch das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt. Davon ist angesichts des Geburtsjahres der Mutter (1959) ohne weiteres auszugehen, hätte sie im Zeitpunkt der Eheschließung des Klägers (2006) doch erst ein Lebensalter von rund 47 Jahren erreicht. Für die Annahme, dass die Mutter die Heirat ihres Sohnes missbilligt hätte (§ 1222 ABGB), findet sich in den Feststellungen kein Anhaltspunkt.

 

Im Erbweg erworbenes Vermögen ist auf den Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB nicht als Vorteil anzurechnen. Dies gilt selbst dann, wenn der Hinterbliebene das Vermögen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ansonsten nicht erworben hätte. Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich laufender Einnahmen, die aus letztwilligen Zuwendungen stammen und schon bisher zum Unterhalt verwendet worden sind.

 

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Inwieweit der Kläger „als gesetzlicher Erbe“ bei Zuerkennung des Ersatzanspruchs sonst noch bereichert sein könnte, zeigt die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel nicht auf.