OGH: Beweislast für den Zugang eines Telefax - reicht der OK-Vermerk“ eines Telefax-Sendeberichts?
Der „OK-Vermerk“ eines Telefax-Sendeberichts erbringt keinen (Anscheins-)Beweis für den Zugang beim Empfänger
§ 862a ABGB
GZ 9 ObA 51/10f, 30.03.2011
OGH: Die in § 862a erster Satz ABGB statuierte Empfangs- oder Zugangstheorie gilt grundsätzlich für alle empfangsbedürftigen Erklärungen, so auch Wissenserklärungen. Eine Erklärung ist grundsätzlich bei Kenntnisnahme zugegangen, außerdem aber auch dann - insbesondere damit der Empfänger das Wirksamwerden der Erklärung nicht verzögern oder verhindern kann -, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass sich der Adressat unter normalen Verhältnissen von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann und Störungen nur mehr in seiner Sphäre, nicht beim Absender oder der Übermittlungsanstalt möglich sind. Die Beweislast für den Zugang trägt grundsätzlich der Absender.
Der Zugang wird dann fingiert, wenn ihn der Empfänger absichtlich oder wider Treu und Glauben vereitelt oder wenn er gebotene Empfangsvorkehrungen unterlässt.
Hat jemand mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu rechnen, hat er auch iSe Obliegenheit sicherzustellen, dass diese ihn erreichen. So ist beispielsweise von Kaufleuten zu erwarten, dass sie stets Empfangsvorkehrungen treffen, desgleichen hat der Empfänger die mangelnde oder mangelhafte Bereitschaft zur Entgegennahme eines Telefax zu vertreten, wenn er damit rechnen musste, dass Erklärungen auf diesem Wege erfolgen werden. Gleiches muss wohl gelten, wenn der Empfänger seine Telefax-Nummer entweder in einem Verzeichnis öffentlich zugänglich macht oder diese Personen, mit denen er im Rechtsverkehr steht, bekannt gibt. Da Übermittlungsfehler nicht auszuschließen sind, geht das Übermittlungsrisiko erst dann auf den Empfänger der Nachricht über, wenn diese in seinem Empfangsbereich gelangt ist, im Falle eines Telefax also während der Geschäftsstunden mit Signaleingang. Da sohin bis zum Einlangen des Sendesignals beim Empfänger den Absender das Übermittlungsrisiko trifft, reicht der bloße, vom Sendegerät ausgehende Sendebericht für den Nachweis des Zugangs beim Empfänger nicht aus. Zu prüfen bleibt, ob allenfalls ein dem Sendebericht angeschlossener „OK-Vermerk“ geeignet ist, zu einem anderen Kalkül, allenfalls zur Annahme eines prima-facie-Beweises zu führen.
Der erkennende Senat schließt sich der überzeugenden, auf der Rsp der deutschen Höchstgerichte fußenden Rechtsauffassung an, dass der „OK-Vermerk“ eines Telefax-Sendeberichts keinen (Anscheins-)Beweis für den Zugang beim Empfänger erbringt. Ein Telefax reist im Prinzip auf Gefahr des Versenders; bloß erwiesene Störung des Empfangsgeräts (- dem ist wohl die nicht ausreichende Ausstattung mit Druckerpapier gleichzuhalten -) fällt in den Risikobereich des Empfängers. Der Zugangszeitpunkt ist der Signaleingang während der Geschäftszeit, sonst mit Beginn des nächsten Arbeitstags.
Keinesfalls reicht daher die Feststellung aus, dass der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbestätigungen per Telefax übermittelt habe, weil sich daraus noch kein notwendiger Zugang beim Empfänger ergibt.