02.03.2021 Zivilrecht

OGH: Zu „wahrheitswidrigem Vorbringen“ eines Rechtsanwalts (§ 1330 ABGB)

Ein RA muss die Richtigkeit einer ihm erteilten vollständigen Information nicht prüfen und von sich aus auch nicht weitere Nachforschungen anstellen, solange sich nicht dagegen erhebliche Anhaltspunkte ergeben


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Ehrverletzung, Rufschädigung, Unterlassung, Rechtsanwalt, standeswidriges Verhalten, Disziplinarrecht, Zivilprozess, wahrheitswidriges Vorbringen
Gesetze:

 

§ 9 RAO, § 178 ZPO, § 1330 ABGB

 

GZ 6 Ob 231/20v, 17.12.2020

 

OGH: Der RA ist nach § 9 Abs 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten. Er ist daher im Rahmen seiner berufsmäßigen Parteienvertretung verpflichtet, alles zu unternehmen, was den Interessen seines Klienten dienlich ist.

 

Die Grenze, die der RA in seiner Tätigkeit nicht überschreiten darf, liegt sehr hoch. Sie ist definiert durch den ihm erteilten Auftrag, durch sein Gewissen und den zu vermeidenden Widerstreit mit dem Gesetz. Die Richtigkeit einer ihm erteilten vollständigen Information muss er, solange sich nicht dagegen erhebliche Anhaltspunkte ergeben, nicht prüfen und von sich aus auch nicht weitere Nachforschungen anstellen. Disziplinär wäre lediglich, wenn er wissentlich unrichtige Behauptungen aufstellt, um sich oder seinem Klienten Vorteile zu verschaffen.

 

Im vorliegenden Verfahren wegen Unterlassung rufschädigender Behauptungen (§ 1330 ABGB) hat die Beklagte zwar auszugsweise Unterlagen zu verschiedenen Prozessen vorgelegt, in welchen der Kläger als Rechtsvertreter auftrat. Dabei wirft sie dem Kläger vor, wahrheitswidrig vorgebracht zu haben. Sie führt aber nicht aus, warum der Kläger den Angaben seiner Mandanten nicht hätte folgen dürfen und inwiefern der Kläger über die angebliche Unrichtigkeit der Aussage wusste. Damit hat die Beklagte aber weder ein disziplinäres noch ein strafrechtswidriges Verhalten des Klägers dargestellt.