25.06.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur lauterkeitsrechtlichen Beurteilung „anlehnender“ Werbemaßnahmen im Internet

Wird eine Domain von den beteiligten Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen gesehen, scheidet eine Unlauterkeit einer an diese anlehnenden Werbung schon deswegen aus


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, unlautere Geschäftspraktiken, irreführende Geschäftspraktiken, anlehnende Werbemaßnahmen im Internet, Google AdWord-Anzeige, Verwechslungsgefahr, Verkehrsgeltung, Missbrauch von Kennzeichen eines Unternehmens
Gesetze:

§ 1 UWG, § 2 UWG, § 9 UWG

GZ 17 Ob 22/11a, 20.12.2011

 

Die Klägerin (Inhaberin der Domain www.wetter.at) behauptet, der Internetnutzer werde durch die Gestaltung der Google AdWord-Anzeige („Wetter at“) der Beklagten ((Inhaberin der Domain www.wetter.tv) irregeführt. Durch die Überschrift werde der Eindruck erweckt, es handle sich um eine Anzeige der Klägerin oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens.

 

OGH: Die Klägerin stützt ihren Anspruch damit auf § 2 Abs 3 Z 1 UWG. Danach gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie die wirtschaftliche Entscheidung eines Marktteilnehmers beeinflussen kann und „eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet“. Verwechslungsgefahr kann nur entstehen, wenn der Mitbewerber für sein Unternehmenskennzeichen oder die Ausstattung seines Produkts Verkehrsgeltung erlangt hat, denn nur dann kann der Durchschnittsverbraucher das Zeichen oder die Ausstattung als Hinweis auf ein anderes (bestimmtes) Unternehmen sehen.

 

Die Klägerin behauptet nicht, für www.wetter.at Verkehrsgeltung erlangt zu haben; sie behauptet eine „gewisse Bekanntheit“ und verweist darauf, dass die Website zwischen 100.000 und 200.000 Zugriffe pro Tag verzeichne. Weder behauptet noch festgestellt ist aber, dass diese Zugriffe auf die Eingabe von www.wetter.at in den Browser zurückzuführen wären und dass die Nutzer damit gezielt die Website der Klägerin aufsuchten. Angezeigt wird die Website der Klägerin auch dann, wenn die Nutzer etwa „Wetter“ oder „Wetter Österreich“ in eine Suchmaschine eingeben. Auch in diesen Fällen werden Nutzer die Website der Klägerin aufsuchen; aus der (hohen) Zahl der Zugriffe allein kann daher nicht abgeleitet werden, dass www.wetter.at als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden werde und damit Verkehrsgeltung erreicht habe. Wird aber www.wetter.at nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden, so trifft dies umso mehr auf „Wetter at“ zu; damit scheidet eine Irreführung über die Zuordnung des Inserats der Beklagten von vornherein aus.

 

Ein unlauteres Verhalten nach § 1 UWG erblickt die Klägerin darin, dass sich die Beklagte ohne hinreichenden Grund an ihr Zeichen „angelehnt“ habe. Die Beklagte habe - offenbar bewusst - in Kauf genommen, dass auch bei der Suche nach „wetter.at“ bzw einem mobilen Portal von „wetter.at“ ihr Inserat aufscheine. Sie habe darüber hinaus zu verantworten, dass dieses Inserat mit einem Blickfang ausgestattet sei, der den durchschnittlichen Betrachter glauben lasse, er erreiche bei Anklicken der Werbung die Website www.wetter.at.

 

Der ergänzende lauterkeitsrechtliche Schutz eines Unternehmenskennzeichens nach § 1 UWG kommt nur dann in Betracht, wenn es im Einzelfall zusätzliche Umstände gibt, die die Annäherung an ein fremdes Kennzeichen als unlautere Werbemaßnahme erscheinen lassen. Die Anlehnung müsste etwa ohne hinreichenden Grund in der verwerflichen Absicht vorgenommen worden sein, Verwechslungen herbeizuführen oder den Ruf des anderen Unternehmens zu beeinträchtigen oder auszunutzen.

 

Der Klägerin ist zuzugeben, dass sich das Inserat der Beklagten durch die Wahl der Überschrift in einem gewissen Maß der Domain der Klägerin annähert. Die Überschrift unterscheidet sich von der Domain zwar sowohl durch den großen Anfangsbuchstaben von „Wetter“ und das Fehlen des Punktes zwischen „Wetter“ und „at“, die Verbindung beider Begriffe mag aber einen Teil der Internetnutzer an eine Domain denken lassen. Daraus folgt aber noch nicht, dass der durchschnittliche Nutzer glauben könnte oder gar glauben müsste, bei Anklicken der Werbung auf die Website der Klägerin oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens zu gelangen. Denn dazu müsste er www.wetter.at als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen kennen; dies hat die Klägerin aber - wie oben dargelegt - weder behauptet noch bewiesen.

 

Unlauter ist das Verhalten der Beklagten auch nicht schon deshalb, weil sie es „in Kauf genommen hat“, dass das Inserat der Beklagten bei Eingabe von „wetter.at“ oder „mobiles Portal von wetter.at“ aufscheint. Daraus lässt sich noch nicht die „verwerfliche Absicht“ ableiten, Verwechslungen herbeizuführen oder den Ruf des anderen Unternehmens zu beeinträchtigen oder auszunutzen; ein Vorhaben, das im Übrigen schon daran scheitern müsste, dass www.wetter.at mangels Verkehrsgeltung nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden wird, mit dem die Website der Beklagten verwechselt oder dessen Ruf beeinträchtigt oder ausgenutzt werden könnte.

 

Die Klägerin verweist auf die Entscheidung 17 Ob 3/10f - Bergspechte. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich vom gegenständlichen Fall insoweit, als dort die Irreführung anhand einer eingetragenen Marke mit starker Kennzeichnungskraft zu beurteilen gewesen sei. Es könne daraus nicht abgeleitet werden, dass die Verwendung eines mit dem Konkurrenzzeichen identischen Zeichens (Wetter at = wetter.at) zulässig wäre. Dass der Schutzbereich stärkerer Zeichen weiter sei, vermöge nämlich nicht zu begründen, dass andere Kennzeichen in identischer Form für die Bewerbung konkurrierender Dienstleistungen verwendet werden dürfen.

 

Die Klägerin verkennt damit den Inhalt der Entscheidung 17 Ob 3/10f ganz grundlegend: In 17 Ob 3/10f geht es um die Frage, ob eine Marke verletzt wird, wenn ein ihr ähnliches Zeichen als Schlüsselwort in der Werbung für identische Dienstleistungen verwendet wird. Die Domain www.wetter.at ist hingegen weder als Marke geschützt noch hat die Klägerin dafür Verkehrsgeltung und damit Schutz nach § 9 Abs 3 UWG erreicht. Die Frage einer Zeichenverletzung durch die Verwendung des Zeichens als Schlüsselwort stellt sich daher nicht.