25.02.2013 Zivilrecht

OGH: Unzumutbarkeit der Ausübung der Funktion des Sachwalters iSd § 278 Abs 1 ABGB (hier: Furcht der Sachwalterin aufgrund des Verhaltens und der Körperfülle des Betroffenen)

Allein der Umstand, dass der Betroffene auch andere Sachwalter körperlich bedrohen oder gar insultieren würde, reicht nicht aus, eine Umbestellung abzulehnen; wenn sich die am Erstgericht tätigen Personen zu Recht derart vor dem Betroffenen fürchteten, dass das Zugangsverbot gerechtfertigt erlassen wurde, ist nicht nachvollziehbar, warum die Sachwalterin und ihre Mitarbeiterinnen weiterhin dem Umgang mit dem Betroffenen ausgesetzt sein sollen


Schlagworte: Sachwalterschaft, Umbestellung, Unzumutbarkeit, Bedrohung
Gesetze:

§ 278 ABGB, §§ 268 ff ABGB

GZ 6 Ob 227/12v, 19.12.2012

 

OGH: Nach § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die Sachwalterschaft einer anderen Person ua dann zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist oder ihm die Ausübung des Amtes nicht (weiter) zugemutet werden kann. Soweit sich die Vorinstanzen darauf berufen, es stünde keine andere Person für die Funktion zur Verfügung, würde dies - für sich allein - nicht eine Enthebung des Sachwalters hindern.

 

Nach zweitinstanzlicher Rsp liegt kein Umbestellungsgrund vor, wenn vergleichbarer Widerstand des Betroffenen unabhängig von der Person des konkret bestellten Sachwalters auch gegenüber einer anderen Person zu erwarten ist. Dem tritt der OGH zwar grundsätzlich bei; allerdings können darunter nur solche Fälle verstanden werden, in denen der Betroffene etwa andere Personen ebenfalls als Sachwalter ablehnen würde, weil er der Meinung ist, gar keines Sachwalters zu bedürfen, oder in denen er sonst die Zusammenarbeit mit dem Sachwalter oder die Betreuung durch den Sachwalter verweigern würde. Der Umstand, dass der Betroffene auch andere Personen im Amt des Sachwalters körperlich bedrohen oder gar insultieren würde, ist derartigen Fällen nicht gleichzusetzen. Das - verfassungsrechtlich gewährleistete - Recht auf körperliche Unversehrtheit im weitesten Sinn muss auch dem Sachwalter zugutekommen; allein der Umstand, dass der Betroffene auch andere Sachwalter körperlich bedrohen oder gar insultieren würde, reicht nicht aus, eine Umbestellung abzulehnen.

 

Im Übrigen haben sich die Vorinstanzen nicht näher mit der besonderen Konstellation des vorliegenden Falls auseinander gesetzt: Der Betroffene scheint zwar in der Lage zu sein, aufgrund seiner Aggressivität iZm seiner körperlichen Erscheinung insbesondere Frauen (Rechtspraktikantin, Erstrichterin, Vorsteherin des Erstgerichts, Sachwalterin und deren Mitarbeiterinnen) einzuschüchtern, sodass sich diese bedroht fühlen. Ob eine derartige Bedrohung auch von einem anderen, insbesondere männlichen, Sachwalter, der möglicherweise ebenfalls über eine entsprechende Körpergröße verfügt, empfunden würde, wurde bislang weder geprüft noch erörtert. In diesem Sinn würde dann aber die derzeit bestellte Sachwalterin nicht die erforderliche Eignung aufweisen (§ 278 Abs 1 ABGB); sie wäre hinsichtlich der Bewältigung dieser Sachwalterschaft überfordert. Im vorliegenden Fall wird unter diesem Gesichtspunkt auch eingehender zu prüfen sein, ob das VertretungsNetz Sachwalterschaft tatsächlich nicht in der Lage ist, den Fall zu übernehmen; immerhin verlangt § 279 ABGB die Bestellung einer „geeigneten“ Person, wobei auf die „Bedürfnisse“ des Betroffenen Rücksicht zu nehmen ist. Eine Sachwalterin, die sich aufgrund des Verhaltens und der Körperfülle des Betroffenen vor diesem fürchtet, dürfte hier aber nicht eine geeignete Person sein, um den Bedürfnissen des Betroffenen zu entsprechen. Dazu scheint eine professionelle Einrichtung mit ihren Mitarbeitern weit besser geeignet zu sein.

 

Dass die Sachwalterin mit ihrer Bestellung - ursprünglich - einverstanden gewesen ist, steht ihrer nunmehrigen Enthebung nicht entgegen. Vor ihrer Bestellung war nämlich das nunmehr als bedrohlich empfundene Verhalten des Betroffenen nicht aktenkundig.

 

Die Argumentation des Rekursgerichts, die Vorsteherin des Erstgerichts habe zwar aufgrund des Verhaltens des Betroffenen und seines Erscheinungsbildes zu Recht ein Zugangsverbot zum Gebäude des Erstgerichts erlassen, die Sachwalterin brauche jedoch nicht enthoben zu werden, weil sich „bislang“ Hinweise auf eine „tatsächliche Gefahr für die körperliche Sicherheit nicht finden ließen, wird vom OGH nicht geteilt: Wenn sich die am Erstgericht tätigen Personen zu Recht derart vor dem Betroffenen fürchteten, dass das Zugangsverbot gerechtfertigt erlassen wurde, ist nicht nachvollziehbar, warum die Sachwalterin und ihre Mitarbeiterinnen weiterhin dem Umgang mit dem Betroffenen ausgesetzt sein sollen.