19.08.2013 Zivilrecht

OGH: Wegehalterhaftung oder Vertragshaftung bei Mountainbike-Strecke?

Keine Vertragshaftung des Wegehalters, der den Weg als Mountainbike-Strecke ganz allgemein - ohne individuelles Regelwerk, ohne Einzelbetreuung und ohne „organisierte Veranstaltung“ unentgeltlich zur Verfügung stellt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Wegehalterhaftung, Vertragshaftung, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Mountainbike-Strecke
Gesetze:

§ 1319a ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 881 ABGB

GZ 3 Ob 132/13b, 17.07.2013

 

Die beklagte Straßeninteressentschaft (eine Körperschaft öffentlichen Rechts nach § 20 Abs 9 Tiroler StraßenG) als Verfügungsberechtigte des „*****wegs“ schloss mit einem näher bezeichneten Tourismusverband als Berechtigtem eine Vereinbarung, worin sie den Weg für Radfahrer frei gab.

 

Der Kläger stürzte im Jahr 2011 bei einer Fahrt mit seinem Mountainbike auf diesem Weg über zwei „Frostbeulen“ und zog sich Verletzungen zu.

 

Die Vorinstanzen verneinten sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Haftung der beklagten Partei.

 

Der Kläger vermisst in seiner gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision Rsp dazu, ob der Vertrag zwischen der beklagten Partei und dem Tourismusverband Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei nach den Grundsätzen des „Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ sein könne.

 

OGH: Bei Verletzung vertraglicher Pflichten haftet auch der Halter eines Wegs ohne die in § 1319a ABGB normierte Beschränkung, wird also schon bei leichter Fahrlässigkeit ersatzpflichtig.

 

In den Entscheidungen 1 Ob 260/05z und 4 Ob 211/11z, die ebenfalls Unfälle auf Mountainbike-Strecken betrafen, wurde eine Vertragshaftung des Wegehalters, der den Weg als Mountainbike-Strecke ganz allgemein - ohne individuelles Regelwerk, ohne Einzelbetreuung und ohne „organisierte Veranstaltung“ unentgeltlich zur Verfügung stellt, verneint.

 

Eine unmittelbare Vertragshaftung der beklagten Partei kommt nicht in Betracht, weil der Forstweg, auf dem sich der Unfall ereignete, ebenfalls ohne „organisierte Veranstaltung“ unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde.

 

Der berechtigte Tourismusverband übernahm gegenüber der verfügungsberechtigten beklagten Partei nur die Verantwortung als Wegehalter iSd § 1319a ABGB für den verkehrssicheren Zustand des Wegs als Mountainbike-Strecke, nicht aber - als weitere vertragliche Hauptleistung - auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber den diesen Weg benutzenden Mountainbikern. Die vertragliche Übernahme der Wegehalterhaftung durch den Tourismusverband kann aber nicht zu einem strengeren Haftungsmaßstab als dem in § 1319a ABGB normierten führen.

 

Darüber hinaus übersieht der Kläger hier ganz grundlegend den Charakter der von LuRsp in bestimmten Konstellationen bejahten Sorgfalts- und Schutzpflichten zugunsten Dritter, am Vertrag nicht beteiligter Personen: Solche Pflichten werden dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde.

 

Die Verletzung allfälliger Sorgfalts- und Schutzpflichten könnte hier aber naturgemäß nur jenen treffen, der diese Pflichten im Verhältnis zum Verfügungsberechtigten vertraglich übernommen hat. Das war gerade nicht die beklagte Partei, sondern jener Tourismusverband, dem die beklagte Partei die Halterpflichten übertrug.

 

Darauf, ob der Vertrag zwischen der beklagten Partei und dem Tourismusverband nachträglich schlüssig dahin abgeändert wurde, dass die beklagte Partei dem Tourismusverband den Weg unentgeltlich zur Benützung überlässt, kommt es nicht an.

 

Hier steht fest, dass die Unebenheiten und Querrinnen auf dem Weg bei situationsgerechter Befahrung keine Gefahr darstellten. Der Kläger stürzte, weil er zu schnell und/oder technisch unrichtig über die Frostbeulen fuhr und deshalb die Kontrolle über sein Rad verlor. Die Frostbeulen können auch bei höherer Geschwindigkeit problemlos überfahren werden, wenn man sich fahrtechnisch richtig verhält.

 

Unter diesen Umständen ist eine grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei iSd § 1319a ABGB - die der Kläger nur mit dem Satz in Zweifel zog, dass zwei Erhebungen eine Haftung nach § 1319a ABGB begründeten - nicht zu erkennen.