02.09.2014 Zivilrecht

OGH: § 364 Abs 2 ABGB – Lärmbelästigung ausgehend von einem Harttennisplatz

Der von der Beklagten reklamierte Vergleich der bisherigen und der neuen Lärmsituation an Hand des sog (energie-)äquivalenten Dauerschallpegels (LA, eq), den sie erkennbar mit dem vom Erstgericht herangezogenen Gesamtbeurteilungspegel gleichsetzt, stellt im vorliegenden Fall kein taugliches Mittel zur Beurteilung der Ortsüblichkeit der neuen Lärmsituation dar: denn die dazu ermittelten Tages- und Nachtwerte von 58,4/58,3 dB (vor dem Umbau) und 59,9/59,8 dB (danach) zeigen, dass dieser Lärmparameter die Besonderheit der neuen, erst seit 2009 auftretenden Lärmimmission nicht in dem Ausmaß berücksichtigt, das den Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse und die besondere Lästigkeit dieser impulsartigen Geräusche entspricht; deshalb erscheint die Untersagung der besonders unangenehmen, früher nicht gegebenen Lärmspitzen hier notwendig und ist deshalb nicht zu korrigieren


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Harttennisplatz, (energie-)äquivalenter Dauerschallpegel, Lärmspitzen
Gesetze:

§ 364 Abs 2 ABGB

GZ 3 Ob 53/14m, 25.06.2014

 

OGH: Lärmeinwirkungen sind mittelbare Immissionen, die nur soweit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigen, untersagt werden können. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist. Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigenden Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet. Bei der Beurteilung, ob ungebührlicherweise störender Lärm vorliegt, kommt es nicht bloß auf die Lautstärke an, zu beachten ist auch, ob die Beeinträchtigung häufig und lang andauernd erfolgt und zu welcher Tageszeit. Es ist nicht nur die objektiv messbare Lautstärke maßgebend, sondern auch die subjektive Lästigkeit, die sich va nach der Tonhöhe, der Dauer und der Eigenart der Geräusche bestimmt. Neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung und ihrer Störungseignung sind auch das Herkommen und das öffentliche Interesse wesentlich. Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Den Feststellungen des Erstgerichts ist zu entnehmen, dass vor 2009 kein Hartplatz existierte (sondern ein zweiter Tennissandplatz) und es seither durch das Bespielen des Hartplatzes zu massiven Erhöhungen der Geräuschimmission kam; va durch das „Gegen-die-Bande-Spielen“, werden Geräuschpegel von Schallpegelspitzen bis zu 72 dB erreicht; die Anhebung des Wertes der lautesten Tagesstunde gegenüber dem Bespielen des früheren Tennissandplatzes bedeutet nahezu eine Verdoppelung des empfundenen Lautheitseindrucks. Der vom Hartplatz ausgehende Lärm wird nicht nur wegen der Stärke, sondern va wegen seiner Impulsartigkeit als besonders störend und unangenehm empfunden. Vor allem jenes Geräusch, das entsteht, wenn der Ball gegen die Bande des Hartplatzes gespielt wird, ist im Einfamilienhaus der Kläger bei geschlossenen Räumen, die in Richtung des Sportplatzes ausgerichtet sind (Wohn-, Ess- und Kinderzimmer) wahrnehmbar.

 

Der von der Beklagten reklamierte Vergleich der bisherigen und der neuen Lärmsituation an Hand des sog (energie-)äquivalenten Dauerschallpegels (LA, eq), den sie erkennbar mit dem vom Erstgericht herangezogenen Gesamtbeurteilungspegel gleichsetzt, stellt im vorliegenden Fall kein taugliches Mittel zur Beurteilung der Ortsüblichkeit der neuen Lärmsituation dar. Denn die dazu ermittelten Tages- und Nachtwerte von 58,4/58,3 dB (vor dem Umbau) und 59,9/59,8 dB (danach) zeigen, dass dieser Lärmparameter die Besonderheit der neuen, erst seit 2009 auftretenden Lärmimmission nicht in dem Ausmaß berücksichtigt, das den Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse und die besondere Lästigkeit dieser impulsartigen Geräusche entspricht. Deshalb erscheint die Untersagung der besonders unangenehmen, früher nicht gegebenen Lärmspitzen hier notwendig und ist deshalb nicht zu korrigieren.

 

Unter diesen Umständen des konkreten Einzelfalls bildet auch die Ansicht der Vorinstanzen, die bis zum Umbau der Sportanlage nicht gegebene, vom Bespielen des Hartplatzes ausgehende impulsartige und allgemein als besonders störend empfundene Lärmentwicklung überschreite das (bisherige) ortsübliche Ausmaß der von der Sportanlage ausgehenden Lärmbelästigung massiv und stelle wegen ihrer besonderen Lästigkeit eine selbständige wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung der Wohnliegenschaft der Kläger dar, jedenfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung.

 

Es trifft auch nicht zu, dass der Beklagten damit schon bisher ortsüblich gewordene Lärmimmissionen untersagt werden.

 

Das Erstgericht beschränkte die Unterlassungsverpflichtung auf „die vom Hartplatz ausgehenden Lärmeinwirkungen“, die die früher aufgetretenen Lärmspitzen am Tennissandplatz 2 von bis zu 51 dB übersteigen, ohne - wie der Revision zuzugestehen ist - im Spruch die konkrete Schallquelle zu nennen. Aus der Begründung des Ersturteils ist unzweifelhaft zu erkennen, dass der Erstrichter als Ursache der „neuen“ Lärmeinwirkung primär das Schießen des Balles gegen die Bande beim Bespielen des Hartplatzes (also dessen widmungsgemäße Nutzung ua zum Fußballspielen) ansieht, nicht jedoch Zurufe von Spielern und/oder Zuschauern oder Applaus; derartige Äußerungen sind ja auch beim vor dem Umbau bestehenden Spielbetrieb auf den beiden Tennisplätzen und der Rasenfläche zu unterstellen, und bilden deshalb keine (wesentliche) Änderung der Lärmsituation.

 

Als vom Ersturteil verpönte Schallquellen sind daher nicht die Spieler oder Zuschauer am Hartplatz anzusehen. Das Erstgericht wollte vielmehr jene impulsartige Lärmentwicklung (über 51 dB LA, max) untersagen, die aufgrund der (baulichen) Ausführung und Gestaltung des Hartplatzes selbst bei widmungsgemäßer Nutzung (zB Passen über die Bande oder Torschuss, der das Ziel verfehlt) die besonders störenden Geräusche hervorruft. Dieses Verständnis des Titels hatte erkennbar auch das Berufungsgericht, das auf die tatsächliche Möglichkeit verwies, den vom Hartplatz herrührenden massiven Lärm (beim Spielen mit der Bande) durch technische Schutzeinrichtungen (Matten oder Ähnliches) abzustellen oder doch auf ein ertragbares Maß zu vermindern.