07.12.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob auch Lärmimmissionen, die keine Veränderung des Mietgegenstands an sich bewirken, vom Mieter im Rahmen des außerstreitigen Verfahrens gem § 8 Abs 2 MRG iSe Unterlassung und Wiederherstellung bekämpft werden können

Dauerhafte Lärmimmissionen, die als Folge der Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten iSd § 8 Abs 2 MRG von einem allgemeinen Teil des Hauses oder einem anderen Mietgegenstand ausgehen, verändern die für seine Nutzung relevanten Eigenschaften des Mietgegenstands; daher ist auch die vom Antragsteller behauptete Lärmbeeinträchtigung iSd § 8 Abs 2 MRG als eine mögliche Veränderung des Bestandgegenstands zu sehen und damit im besonderen außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG zu beurteilen


Schlagworte: Mietrecht, Nachbarrecht, Umfang des Benützungsrechts, Lärmimmissionen, Unterlassung / Wiederherstellung
Gesetze:

 

§ 8 MRG, § 37 MRG

 

GZ 5 Ob 176/15s, 30.10.2015

 

OGH: Gem § 8 Abs 2 MRG hat der Hauptmieter unter ganz bestimmten Voraussetzungen die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstands zuzulassen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung unterliegt nicht jeder Eingriff ins Mietrecht dem Regime des § 8 Abs 2 MRG. Der OGH hat dessen Anwendbarkeit daher verneint, wenn die zu beurteilenden Veränderungen nicht den Bestandgegenstand des Mieters selbst betreffen. Gleiches gilt, wenn ein Eingriff wegen der damit verbundenen tiefgreifenden Umgestaltung den Begriff der „Veränderung des Mietgegenstandes“ überschreitet.

 

Nach Vonkilch können die Eingriffe in das Mietrecht, die der Mieter nach § 8 Abs 2 MRG zu dulden hat, nicht auf die - im Gesetzestext ausdrücklich genannte - vorübergehende Benutzung und Veränderung des Bestandgegenstands beschränkt werden. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber damit bloß pars pro toto für sämtliche Eingriffe in die ungestörte Nutzung des Bestandgegenstands im Zuge von Bauführungen jene Maßnahmen nennen wollte, die einerseits besonders gravierend seien, andererseits sich im Rahmen von Bauführungen typischerweise als notwendig erweisen würden. Es wäre nämlich eine sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung, für die übrigen Eingriffe in die ungestörte Nutzung des Bestandgegenstands, die sich im Rahmen der Bauführung als notwendig erweisen, nicht ebenfalls Duldungspflichten des Mieters gem § 8 Abs 2 MRG anzunehmen, sondern diese - als einzig mögliche Alternative - nach der wesentlich „eingriffsfeindlicheren“ Regelung des § 1118 letzter Satz ABGB zu ermitteln. Einem derart weit gefassten Verständnis des Anwendungsbereichs von § 8 Abs 2 MRG scheine in der Sache auch die überwiegende Rsp zuzuneigen. Insbesondere seien auch die zu § 8 Abs 3 MRG ergangenen Entscheidungen wegen des akzessorischen Charakters dieser Eingriffshaftung zu den nach Abs 2 bestehenden Duldungspflichten zur Auslegung von § 8 Abs 2 MRG maßgeblich.

 

Auch für Würth/Zingher/Kovanyi stellt sich die Frage, welche anderen Eingriffe in das Mietrecht neben den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen der Benutzung und Veränderung des Bestandgegenstands nach § 8 Abs 2 MRG vom Mieter zu dulden sind. Sie verweisen dazu einerseits auf die dargestellten Ausführungen Vonkilchs, andererseits auf die Ausführungen von Würth (in seiner Glosse zu wobl 1989/42), wonach § 8 Abs 2 und 3 MRG keineswegs den gesamten bisher nach § 1098 ABGB zu beurteilenden Bereich von Eingriffen in Mietrechte abdecke. Von der Rsp wiederum werde der Anwendungsbereich des § 8 Abs 2 MRG jedenfalls überwiegend weit gefasst.

 

Den von den genannten Autoren zum Nachweis ihrer Einschätzung der Rsp und ihres weit gefassten Verständnisses des Anwendungsbereichs des § 8 Abs 2 MRG zitierten Entscheidungen ist gemeinsam, dass mit der zu beurteilenden Maßnahme das jeweilige Mietobjekt des Mieters zwar nicht in seiner baulichen Substanz aber doch in seinen für dessen Nutzung relevanten Eigenschaften eine Änderung erfuhr; sei es durch die Minderung des Genusses der mit dem natürlichen Lichteinfall verbundenen Annehmlichkeiten durch die Errichtung eines Steges, Unterbindung des Zugangs zu einem gemieteten Magazin, Verschlechterung des Belichtungsverhältnisses sowie des Ausblicks der Wohnung durch Aufstockung eines Hauses, die erhöhte Einsehbarkeit durch Anbringung von Fenstern in 8,5 m Entfernung oder die Einsehbarkeit und Verringerung des Lichteinfalls durch Errichtung eines Laubenganges vor der Wohnung. Gleich der Einsehbarkeit und den Lichtverhältnissen ist auch das Ausmaß der Lärmbelastung eine relevante Eigenschaft eines Mietgegenstands. Dauerhafte Lärmimmissionen, die als Folge der Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten iSd § 8 Abs 2 MRG von einem allgemeinen Teil des Hauses oder einem anderen Mietgegenstand ausgehen, verändern die für seine Nutzung relevanten Eigenschaften des Mietgegenstands. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist daher auch die vom Antragsteller behauptete Lärmbeeinträchtigung iSd § 8 Abs 2 MRG als eine mögliche Veränderung des Bestandgegenstands zu sehen und damit im besonderen außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG zu beurteilen. Das Erstgericht wird daher das Verfahren auch in diesem Zusammenhang fortzusetzen und Beweise aufzunehmen haben.