29.12.2015 Zivilrecht

OGH: Verletzung (im Zuge eines Schulschikurses) bei Ausstiegsstelle eines Schlepplifts – Organstellung (iSd AHG) des Liftwartes?

Die entgeltliche Beförderung von Schülern (sei es täglich zur Schule, zu einem Ausflugsziel oder einem Museumsbesuch im Rahmen einer Schulveranstaltung) zieht nicht eine Organstellung der Mitarbeiter des jeweiligen Transportunternehmens nach sich, weil der Transport - auch bei Seilbahnen oder Schiliften - keinen ausreichend engen inneren oder äußeren Zusammenhang zu einer etwa nach dem Transport anschließenden (sportlichen) Ausbildung, dem Unterricht, hat


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Amtshaftung, Schulschikurs, Organfunktion, Liftbetreiber
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1 AHG, § 44a SchUG

 

GZ 1 Ob 203/15g, 24.11.2015

 

OGH: Für die Begründung einer Organstellung kommt es darauf an, ob eine Person (auch eine juristische Person) hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat. Dann ist sie Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst wie herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist. Auf den zugewiesenen Verantwortungsgrad, eine Entscheidungsbefugnis oder Leitungsbefugnis oder gar auf den hierarchischen Rang, den eine Person in der Organisation des Rechtsträgers oder bei Besorgung einer hoheitlichen Aufgabe einnimmt, kommt es nicht an. Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen. Private handeln daher auch dann als Organe, wenn sie selbst keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten.

 

Die Erteilung des Unterrichts wird nach stRsp und einhelliger Lehre hoheitlich ausgeübt. Lehrer werden in ihrer eigentlichen Funktion, der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, zu der auch die Beaufsichtigung gehört, hoheitlich tätig. Für „andere geeignete Personen“, die gem § 44a Abs 1 SchUG für die Aufsicht herangezogen werden, wie zB Erziehungsberechtigte, qualifizierte Personen aus den Bereichen Sport, Musik ua, normiert § 44a Abs 2 SchUG, dass diese insoweit als Bundesorgane tätig werden.

 

In der Rsp wurde die Organstellung eines bei einer Schulsportwoche eingesetzten Tennislehrers und bei einer Betreiberin eines Kajakcenters bejaht, weil der dabei geschlossene Vertrag der Ausbildung und damit hoheitlichen Zwecken diente. Ebenso wurde die Durchführung der individuellen Berufs-(bildungs-)orientierung durch eine juristische Person als Unternehmensträger als Mitwirkung an der hoheitlich zu verrichtenden Aufgabe der Erteilung des Unterrichts im Pflichtfach Berufsorientierung an einer Polytechnischen Schule beurteilt.

 

Es geht aber nicht schon die Ausführung jeder bloß in „denklogischer“ Voraussetzung zur (späteren) Verrichtung einer hoheitlichen Aufgabe stehende Tätigkeit - welcher Art auch immer - mit einer Organstellung einher. Der Kläger kann keinen ausreichenden engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe der Erteilung des Unterrichts darlegen, wenn er lediglich ausführt, der Liftwart eines Schlepplifts habe die Liftspur zu überwachen und gegebenenfalls beim Ein- und Aussteigen zu helfen. Seine Rechtsansicht, es seien bereits diese dem Liftwart übertragenen Aufgaben, die die Organstellung im gegenständlichen Fall bewirkten, übergeht, dass sich die Aufgaben eines Liftwarts nicht auf die Ausbildung der Schüler im Schisport bezieht und eine Form der organisatorischen Einbindung von Liftwarten oder Liftbetreibern in die Ausbildung während der Wintersportwoche einer (Pflicht-)Schule fehlt.

 

Der vom Revisionswerber für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 296/03s [Betreiber eines Kajakcenters] lag zu Grunde, dass diesem Unternehmen mit Bescheid des Amtes der zuständigen Landesregierung bestätigt worden war, dass es die für die Durchführung von Schulveranstaltungen mit leibeserzieherischen Schwerpunkt vorgesehenen Auflagen erfüllt habe, und es war mittels Vertrag mit der Durchführung einer Kajak-Woche beauftragt worden, daher mit der Ausbildung der Schüler in der Handhabung eines Kajaks.

 

Mit dem Lösen einer Liftkarte wird ein Beförderungsvertrag abgeschlossen, der die entgeltliche Benützung des Schlepplifts beinhaltet. Zweck der Aufsicht des Liftwarts (über alle zu befördernden Personen) ist die Gewährleistung der Sicherheit des Liftbetriebs, wofür zu sorgen der Liftbetreiber aus dem Beförderungsvertrag verpflichtet ist. Liftwarte „beaufsichtigen“ die Schüler nicht, um an einem Ausbildungsziel im Rahmen einer Schulveranstaltung mitzuwirken.