09.06.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Irreführende Geschäftspraktiken iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG - zur Aktivlegitimation (des Mitbewerbers)

Ein Verstoß gegen § 2 Abs 3 Z 1 UWG kann von allen in § 14 Abs 1 und 2 UWG genannten Personen klageweise geltend gemacht werden; § 2 Abs 3 Z 1 UWG erfasst sowohl die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt eines Mitbewerbers führt (Produktnachahmung) als auch die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem Kennzeichen eines Mitbewerbers führt (Kennzeichennachahmung); ob Verwechslungsgefahr vorliegt, hat sich an den für § 9 UWG aufgestellten Grundsätzen zu orientieren


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, irreführende Geschäftspraktiken, Produktvermarktung, Produktnachahmung, Kennzeichennachahmung, Aktivlegitimation, Mitbewerber
Gesetze:

§ 2 Abs 3 Z 1 UWG, § 14 UWG

GZ 17 Ob 10/11m, 10.05.2011

 

OGH: Gem § 2 Abs 3 Z 1 UWG gilt jegliche Vermarktung eines Produkts einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet, als irreführende Geschäftspraktik, wenn sie geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Diese Bestimmung wurde durch die UWG-Novelle 2007 in Umsetzung des Art 6 Abs 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) hinzugefügt. Danach ist eine Geschäftspraxis irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und die eine Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung enthält, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet.

 

Nach den Materialien zur UWG-Novelle 2007 war die Umsetzung der in Art 6 Abs 2 der RL-UGP enthaltenen Irreführungstatbestände schon wegen der unterschiedlichen Klagelegitimation (§ 14 UWG) erforderlich. Der österreichische Gesetzgeber geht demnach davon aus, dass nicht nur der Markeninhaber oder ein Lizenznehmer klagebefugt ist.

 

Dies entspricht der hL: Wer durch die Nachahmung eines fremden Produkts oder durch die Verwendung eines dem Kennzeichen eines Mitbewerbers ähnlichen Warenzeichens eine Verwechslungsgefahr mit diesem Produkt hervorruft, kann nicht nur vom betroffenen Unternehmer, sondern auch von seinen Mitbewerbern auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden.

 

Die hA in Deutschland stimmt damit überein. So weist Bornkamm darauf hin, dass im Fall einer Markenverletzung nun der Anspruch des Markeninhabers mit denen eines Verbraucherverbands, eines Wettbewerbsvereins oder eines Mitbewerbers konkurrieren könnte. Mitbewerber könnten sogar Schadenersatz verlangen, obwohl sie weder Inhaber noch Lizenznehmer des verletzten Zeichens seien. Es müsse akzeptiert werden, dass viele Fälle der Marken- oder Kennzeichenverletzung auch als irreführende geschäftliche Handlung verfolgt werden könnten. Weiters sei hinzunehmen, dass es nicht allein in der Hand des Schutzrechtsinhabers liege, ob ein marken- oder kennzeichenverletzendes Verhalten untersagt werde oder nicht.

 

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass die Klägerin aktiv legitimiert ist. Denn ein Verstoß gegen § 2 Abs 3 Z 1 UWG kann von allen in § 14 Abs 1 und 2 UWG genannten Personen klageweise geltend gemacht werden.

 

§ 2 Abs 3 Z 1 UWG erfasst sowohl die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt eines Mitbewerbers führt (Produktnachahmung) als auch die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem Kennzeichen eines Mitbewerbers führt (Kennzeichennachahmung).

 

In materieller Hinsicht verlangt § 2 Abs 3 Z 1 UWG Verwechslungsgefahr und die Eignung, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

 

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, hat sich an den für § 9 UWG aufgestellten Grundsätzen zu orientieren. Diese entsprechen den für die Beurteilung eines Markeneingriffs aufgestellten Grundsätzen, wobei für diese wiederum ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab gilt. Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu berücksichtigen. Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere den Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und den Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und den Grad der Gleichartigkeit zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen.

 

Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten und dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt. Stehen bei einer Wortbildmarke die bildlichen und die wörtlichen Bestandteile mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander, dann sind nicht nur jene Zeichen als mit dieser Marke verwechselbar ähnlich anzusehen, die nach ihrem Gesamteindruck eine Verwechslungsgefahr hervorrufen, sondern auch jene, die entweder nur die bildlichen oder nur die wörtlichen Teile dieser Marke in verwechselbarer Weise wiedergeben. Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marken und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt.

 

Die Irreführung durch Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen ist nach den tatsächlichen Marktverhältnissen zu beurteilen. Sie setzt voraus, dass die Marken tatsächlich benutzt werden und zumindest eine gewisse Verkehrsbekanntheit erlangt haben, weil sonst eine Irreführung der angesprochenen Kunden durch Verwendung eines gleichartigen Zeichens ausscheidet.