17.08.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Abgrenzung zwischen Elternteilzeit gem § 15h MSchG / § 15i MSchG und Teilzeitarbeit iSd § 19d AZG - zur Frage, inwieweit Elternteilzeit und damit Kündigungsschutz vorliegt, wenn beim Abschluss der Teilzeitvereinbarung nicht konkret darauf hingewiesen wurde, dass Elternteilzeit nach dem Mutterschutz begehrt bzw vereinbart wird

Erforderlich ist, dass gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck kommt, dass Elternteilzeit iSd MSchG Gegenstand der Vereinbarung werden soll; da auch im Arbeitsrecht der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich ist, ist es ohne rechtlichen Belang, ob die Klägerin subjektiv von einer Unterscheidung zwischen Teilzeit iSd § 19d AZG oder einer Elternteilzeit iSd Bestimmungen des MSchG ausging; darüber hinaus sind auch die Umstände des Vertragsschlusses für die Auslegung maßgeblich


Schlagworte: Mutterschutzrecht, Teilzeitbeschäftigung, Kündigungsschutz, Vereinbarung, Auslegung
Gesetze:

§ 15h MSchG, § 15i MSchG, § 15j MSchG, § 15n MSchG, § 914 ABGB

GZ 9 ObA 80/10w, 26.05.2011

 

OGH: Neben dem „großen Anspruch“ gem § 15h MSchG kennt das MSchG auch noch die vereinbarte Teilzeitbeschäftigung nach § 15i MSchG („kleiner Anspruch“), wenn die Dienstnehmerin entweder noch keine drei Dienstjahre zurückgelegt hat oder im Betrieb nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Eine weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Teilzeitbeschäftigung nach den §§ 15h und 15i MSchG ist, dass die Dienstnehmerin mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt oder eine Obsorge nach den §§ 167 Abs 2, 177 oder 177b des ABGB gegeben ist und sich der Vater nicht gleichzeitig in Karenz befindet (§ 15j Abs 1 MSchG). Die Dienstnehmerin kann die Teilzeitbeschäftigung für jedes Kind überdies nur einmal in Anspruch nehmen, die Teilzeitbeschäftigung muss mindestens zwei Monate betragen. Liegt Elternteilzeit nach dem MSchG vor, hat die Dienstnehmerin nach § 15n Abs 1 MSchG Kündigungs- und Entlassungsschutz gem den §§ 10 und 12 MSchG, der grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung beginnt und bis vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, längstens jedoch bis vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes dauert (Anmerkung: Der Motivkündigungsschutz nach § 15n Abs 2 MSchG ist im vorliegenden Verfahren ohne Belang).

 

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 9 ObA 80/07s zum Ausdruck gebracht, dass ein schriftliches Verlangen auf Elternteilzeit (§ 15j Abs 2 MSchG) dann nicht erforderlich ist, wenn sich der Arbeitgeber auch auf ein mündliches Verlangen einlässt und mit der Dienstnehmerin zu einer Vereinbarung auf Elternteilzeit nach dem MSchG kommt. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Die Schriftlichkeit des Verlangens kann daher nicht als jedenfalls zwingendes Abgrenzungskriterium zwischen Elternteilzeit nach dem MSchG einerseits und einer Teilzeitvereinbarung nach § 19d AZG andererseits dienen.

 

Rauch und Kraft ist aber dahin zu folgen, dass nicht automatisch jede vertraglich vereinbarte Herabsetzung der Arbeitszeit (bzw Änderung der Lage der Arbeitszeit) allein deshalb zur „Elternteilzeit“ (bzw geschützten Änderung der Lage der Arbeitszeit) wird, nur weil die Arbeitnehmerin ein unter 7-jähriges Kind hat. Erforderlich ist vielmehr, dass gegenüber dem Arbeitgeber auch zum Ausdruck kommt, dass Elternteilzeit iSd MSchG Gegenstand der Vereinbarung werden soll. Da auch im Arbeitsrecht der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich ist, ist es ohne rechtlichen Belang, ob die Klägerin subjektiv von einer Unterscheidung zwischen Teilzeit iSd § 19d AZG oder einer Elternteilzeit iSd Bestimmungen des MSchG ausging. Darüber hinaus sind auch die Umstände des Vertragsschlusses für die Auslegung maßgeblich.

 

Im vorliegenden Fall war die Klägerin vor Beginn des Mutterschutzes bzw der Karenz vollzeitbeschäftigt gewesen. Schon anlässlich des Antritts ihrer Karenz hatte sie darauf hingewiesen, dass sie ab Jänner 2009 wieder als Teilzeitkraft arbeiten wolle. Ihr Ersuchen vom Juni 2008, mit 1. 7. 2008 wieder mit 20 Stunden teilzeitbeschäftigt zu werden, kann nur im Zusammenhang damit gesehen werden, dass ihr eine Vollzeitbeschäftigung nicht die für die Betreuung ihres Kleinkindes erforderliche Zeit einräumen würde. Die weitere Voraussetzung einer dreijährigen Dienstzeit ist unstrittig. Die Beklagte hat ferner das konkrete Vorbringen der Klägerin, dass im Betrieb mehr als 20 Personen beschäftigt seien, nicht qualifiziert bestritten, sodass ein Anwendungsfall des § 267 ZPO vorliegt. Auch der Umstand, dass die Klägerin ihr Kind selbst betreute und dass dies der Beklagten bekannt war, ergibt sich aus den Feststellungen: Die Beklagte veranlasste nämlich selbst die Ermittlung durch ihre Buchhalterin, welche Stundenanzahl die Klägerin beschäftigt werden könne, ohne dass die Zuverdienstgrenze des KBGG überschritten werde. Zwingende Voraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld ist aber der Umstand, dass der bezugsberechtigte Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt (§ 2 Abs 1 Z 2 KBGG). Waren nun die Voraussetzungen für Elternteilzeit nach dem MSchG gegeben und waren diese Umstände - wie hier - dem Arbeitgeber auch bekannt, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung über Elternteilzeit nach dem MSchG zustandegekommen ist, zumal ein anderer, dem objektiven Erklärungswert entgegenstehender Parteiwille beider Parteien nicht hervorgekommen ist.

 

Dies führt dazu, dass - zumindest für den vom Klagebegehren umfassten Zeitraum - der Kündigungsschutz des MSchG zugunsten der arbeitsbereiten Klägerin Platz greift. Da die gerichtliche Zustimmung zur Kündigung nicht eingeholt wurde, ist die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung unwirksam geblieben. Ohne Belang ist daher, ob die Beklagte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auch verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin darüber aufzuklären, dass sie einen bestimmten Vertragsinhalt, nämlich „Elternteilzeit nach dem MSchG“ verlangen hätte müssen.