11.02.2020 Verfahrensrecht

OGH: Zur Verwertung der Beweisergebnisse eines nichtigen Verfahrens (AußStrG)

Der Umstand, dass der Zivilprozess für nichtig erklärt worden ist, führt nicht dazu, dass die dort (unter Beteiligung der Parteien) aufgenommenen Beweise im Außerstreitverfahren keine Berücksichtigung finden dürften


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Untersuchungsgrundsatz, Unmittelbarkeitsgrundsatz, Parteiengehör, Beweismittel, Beweisergebnisse, Verwertung, Nichtigerklärung, Streitverfahren
Gesetze:

 

§ 13 AußStrG, § 16 AußStrG, §§ 31 ff AußStrG, § 281 ZPO

 

GZ 1 Ob 218/19v, 16.12.2019

 

OGH: Das Außerstreitverfahren ist durch den Grundsatz des Beweisaufnahmeermessens gekennzeichnet: Der Richter ist in der Wahl der Beweismittel, durch die er die Wahrheit zu finden erwartet, in keiner Weise beschränkt. Dies entspricht dem im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 16 AußStrG). Insoweit normiert § 31 AußStrG den Grundsatz der Unbeschränktkeit der Beweismittel. § 281a ZPO wurde nicht in das AußStrG übernommen, bestand doch aufgrund der Bestimmungen der §§ 31 bis 35 AußStrG keine Notwendigkeit für einen Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über den Beweis und die Beweisaufnahme.

 

Im Allgemeinen gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz im Außerstreitverfahren nicht. Nach § 13 AußStrG ist das Verfahren so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Hinsichtlich des Umfangs der Beweisaufnahme ist der Richter daher nicht streng an die Anträge der Parteien gebunden; er kann darüber hinausgehen, aber auch nach seinem Ermessen im Interesse einer zügigen Verfahrensführung von der Aufnahme einzelner Beweismittel Abstand nehmen, wenn auch auf andere Weise eine (ausreichend) verlässliche Klärung möglich ist. Nach § 31 Abs 1 AußStrG kann zur Feststellung des Sachverhalts jedes dafür geeignete Beweismittel verwendet werden.

 

Daraus ergibt sich, dass die in der unrichtigen Verfahrensart („Streitverfahren“) in Anwesenheit beider Parteien durchgeführten Beweisaufnahmen auch im Verfahren außer Streitsachen verwertet werden dürfen. Der Umstand, dass der Zivilprozess für nichtig erklärt worden ist, führt nicht dazu, dass die dort (unter Beteiligung der Parteien) aufgenommenen Beweise im Außerstreitverfahren keine Berücksichtigung finden dürften. Gegen eine Verwendung der bereits eingeholten Beweise bestehen somit grundsätzlich keine Bedenken. Es würde auch gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie verstoßen, wenn die bereits vorliegenden Beweismittel - unter Beachtung des rechtlichen Gehörs - nicht verwertet werden könnten. Alle sachlichen Gründe sprechen daher dafür, aber keine zwingenden methodischen Bedenken dagegen, Beweisergebnisse aus einem - wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs - für nichtig erklärten Prozess nicht von der Verwertung im anschließend nach dem AußStrG zu führenden Verfahren auszuschließen.