03.03.2019 Sicherheitsrecht

VwGH: Kommentar auf Facebook – Bestrafung als Verletzung des öffentlichen Anstandes im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei?

Bezieht sich der den Anstand verletzende öffentliche Kommentar auf Facebook auf Rechtsgüter, die nur oder zumindest überwiegend dem Gebiet der örtlichen Gemeinschaft zuzuordnen sind, oder weist er einen in sachlicher und in persönlicher Hinsicht mit den lokalen Verhältnissen notwendig verknüpften Inhalt auf, kann er auch im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei geahndet werden


Schlagworte: Örtliche Sicherheitspolizei, Kommentar auf Facebook, Verletzung des öffentlichen Anstandes, örtliche Gemeinschaft
Gesetze:

 

§ 11 Tir LPolG, Art 15 B-VG, Art 10 B-VG

 

GZ Ra 2018/03/0110, 19.12.2018

 

VwGH: Gem § 11 Abs 1 Tir LPolG ist es verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen. Als Verletzung des öffentlichen Anstandes gilt nach § 11 Abs 2 Tir LPolG jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.

 

Zu Recht ging das LVwG in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass der Mitbeteiligte durch seine unflätigen Kommentare auf der näher bezeichneten Facebook-Seite die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit verletzt hat.

 

Richtig ist auch, dass die Tatbegehung jeweils öffentlich erfolgte.

 

Strittig ist allerdings die Rechtsansicht des LVwG, § 11 Tir LPolG könne aus kompetenzrechtlicher Sicht nicht ein Inhalt unterstellt werden, wonach auch ein Verhalten, das unter Verwendung von Facebook an eine über die örtliche Gemeinschaft hinausgehende Öffentlichkeit trete, nach dieser Bestimmung strafbar sei.

 

Dazu ist Folgendes zu erwägen:

 

Nach der Kompetenzverteilung des B-VG ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei gem Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG Aufgabe des Bundesgesetzgebers.

 

Gem Art 15 Abs 2 B-VG fallen Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Dabei handelt es sich nach dem Wortlaut der Norm um jenen Teil der Sicherheitspolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden wie die Wahrung des öffentlichen Anstandes und die Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes.

 

Der VfGH hat erkannt, dass der Begriff der örtlichen Sicherheitspolizei unter Anknüpfung an den allgemeinen Sicherheitspolizeibegriff nach Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG sowie unter Anknüpfung an die Kriterien des Interesses und der Eignung iSd Art 118 Abs 2 B-VG definiert werde. Zwischen der allgemeinen, in den Kompetenzbereich des Bundes fallenden, und der örtlichen, in den Kompetenzbereich der Länder fallenden Sicherheitspolizei, bestehe kein Unterschied grundsätzlicher Natur. Die Abgrenzung zwischen allgemeiner und örtlicher Sicherheitspolizei werde verfassungsrechtlich nach denselben Kriterien vorgenommen wie nach jenen, durch die der eigene Wirkungsbereich der Gemeinden bestimmt werde. Es komme im zweiten Fall primär darauf an, ob es um Angelegenheiten der Sicherheitspolizei gehe, die "das Interesse der Gemeinde berühr(en)", "ob räumliche Grundlage des geschützten Interesses nur das Gemeindegebiet oder ein Teil davon ist", und schließlich, "ob die Gemeinde die Angelegenheit innerhalb ihrer Grenzen durch eigene Kräfte besorgen kann". Die Anwendung der Kriterien des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zur Abgrenzung der Zuständigkeiten ergebe, dass Maßnahmen zum Schutz von "nur den örtlichen Verhältnissen zuzuordnenden Rechtsgütern" sowie zum Schutz vor "in sachlicher (sowie) in persönlicher Hinsicht" mit den lokalen Verhältnissen notwendig verknüpften Beeinträchtigungen für die Zuordnung zur Zuständigkeit der örtlichen Sicherheitspolizei sprächen. Allein der Umstand, dass eine Gefahr, der zu begegnen der örtlichen Sicherheitspolizei obliege, auch an anderen Orten auftreten könne und auch auftrete, könne nicht dazu führen, dass damit automatisch eine Subsumtion zur Materie "örtliche Sicherheitspolizei" ausscheide.

 

Werden diese verfassungsrechtlichen Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragen, so ist dem LVwG im Ansatz zuzustimmen, dass es die verfassungskonforme Auslegung des § 11 Tir LPolG gebietet, den Anwendungsbereich der Norm auf jene Fälle zu beschränken, die nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallen. Dementsprechend können von den in § 11 Tir LPolG umfassten öffentlichen Anstandsverletzungen nur solche gemeint sein, die der "örtlichen Sicherheitspolizei" zu unterstellen sind.

 

Allerdings greift es zu kurz, eine Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei allein deshalb zu verneinen, weil ein den Anstand verletzender Kommentar auf einer öffentlich einsehbaren Facebook-Seite über das Gebiet der örtlichen Gemeinschaft hinaus gelesen werden kann. Umgekehrt kann aber auch nicht ausschließlich deshalb, weil ein inkriminiertes "Posting" auf Facebook von einem Standort innerhalb des Gemeindegebiets abgegeben wird, auf eine Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei geschlossen werden.

 

Entscheidend ist vielmehr, ob durch den in Rede stehenden Kommentar auf Facebook ausschließlich oder zumindest überwiegend das Interesse der Gemeinde berührt wird und ob die Gemeinde die Angelegenheit innerhalb ihrer Grenzen durch eigene Kräfte besorgen kann. Wie der VfGH dargelegt hat, ist dabei von Bedeutung, dass die örtliche Sicherheitspolizei Maßnahmen erfassen soll, die dem Schutz von den örtlichen Verhältnissen zuzuordnenden Rechtsgütern sowie dem Schutz vor in sachlicher und in persönlicher Hinsicht mit den lokalen Verhältnissen notwendig verknüpften Beeinträchtigungen dienen.

 

Bezieht sich der den Anstand verletzende öffentliche Kommentar auf Facebook daher auf Rechtsgüter, die nur oder zumindest überwiegend dem Gebiet der örtlichen Gemeinschaft zuzuordnen sind, oder weist er einen in sachlicher und in persönlicher Hinsicht mit den lokalen Verhältnissen notwendig verknüpften Inhalt auf, kann er auch im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei geahndet werden.

 

Im vorliegenden Fall lassen die Feststellungen der Behörde und des LVwG nicht erkennen, ob die Insultationen des Mitbeteiligten einen ausreichenden Bezug zu den lokalen Verhältnissen iSd bisher Gesagten aufwiesen, etwa, weil sie justizielle Strafverfahren oder Amtsträger betrafen, die einen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft hatten. In Ermangelung dieser notwendigen Sachverhaltselemente ist der gegenständliche Fall nicht entscheidungsreif. Die Rechtsansicht des LVwG, eine Bestrafung des Mitbeteiligten komme fallbezogen jedenfalls nicht in Betracht, erweist sich allerdings als nicht zutreffend.