11.01.2012 Verkehrsrecht

VwGH: Beladung gem § 101 KFG – zur Frage, ob unter den Begriff des "normalen Fahrbetriebs" iSd § 101 Abs 1 lit e KFG auch eine Voll(Not)bremsung fällt

Eine Vollbremsung gehört zum "normalen Fahrbetrieb" iSd § 101 KFG


Schlagworte: Kraftfahrrecht, Beladung, normaler Fahrbetrieb, Vollbremsung, außergewöhnliche /gewöhnliche Betriebsgefahr
Gesetze:

§ 101 KFG, § 102 KFG, § 134 KFG, § 9 EKHG

GZ 2011/02/0036, 30.03.2011

 

Die belangte Behörde hat dem Bf vorgeworfen, er habe sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der in Rede stehenden Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspreche, da festgestellt worden sei, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert gewesen sei, obwohl die Ladung und auch einzelne Teile dieser auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sein müssten, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften stand hielten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet würde. Am Anhänger und am LKW sei Rundholz ohne Sicherung (Gurten) zugeladen gewesen.

 

VwGH: Weder das Gesetz noch die Erläuterungen geben Auskunft darüber, was unter einem "normalen Fahrbetrieb" im gegebenen Zusammenhang zu verstehen ist. Der Bf greift zur Deutung dieser Formulierung auf Verbotsnormen der StVO zurück, die sich jedoch nicht mit dem "Fahrbetrieb" beschäftigen und daher keinen Rückschluss auf die zu behandelnde Frage zulassen.

 

Ein konkreter Bezug zum "Fahrbetrieb" von Kraftfahrzeugen findet sich hingegen im EKHG (Haftungsbefreiung gem § 9 EKHG).

 

Der OGH grenzt in seiner Rsp die außergewöhnliche Betriebsgefahr von der gewöhnlichen Betriebsgefahr folgendermaßen ab:

 

Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr sei darin zu erblicken, dass zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzuträten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben seien, dass ein Fahrzeug überhaupt in Betrieb gesetzt worden sei. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr iSd § 9 Abs 2 EKHG sei dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kfz verbunden seien, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb gelegener Umstände vergrößert würden. Das entscheidende Kriterium für die Annahme einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr liege also darin, dass das Kfz in einer Weise verwendet werde, dass dadurch eine Gefahrenlage eintrete, die mit dem normalen und ordnungsgemäßen Betrieb nicht verbunden sei.

 

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Lenker beim Betrieb eines Kfz auch mit einer Voll(Not)bremsung rechnen muss. Der OGH zählt in seiner verkehrsrechtlichen Judikatur jedenfalls neben einem kontrollierten Auslenken eine Vollbremsung zu einer "normalen" Abwehrreaktion, die von einem Fahrzeuglenker verlangt werden könne. Im Hinblick auf § 9 EKHG bedeute eine Vollbremsung ohne Hinzutreten besonderer Gefahrenmomente (Schleudern, instabiles Fahrverhalten) keine außergewöhnliche, sondern nur eine gewöhnliche Betriebsgefahr, wobei zum Betrieb eines Kfz auch das Herunterfallen der Ladung zähle.

 

Der OGH setzt in seiner Rsp zu § 9 EKHG die gewöhnliche Betriebsgefahr dem "normalen Betrieb" eines Kfz gleich. Abgesehen von dieser sprachlichen Entsprechung mit dem Begriff "normaler Fahrbetrieb" im § 101 Abs 1 lit e KFG ist auch die inhaltliche Nähe zu der im Beschwerdefall auszulegenden Bestimmung gegeben, weil es in beiden Bereichen um die Abgrenzung zwischen vorhersehbaren und beherrschbaren Gefahrensituationen im Straßenverkehr und solchen geht, die nicht mehr kalkuliert und kontrolliert werden können. Gerät eine Gefahrensituation außer Kontrolle und ist unbeherrschbar, kann in der Regel auch nicht vorausgesehen werden, wie die Ladung eines Kfz reagiert. Nur für absehbare Kräfteeinwirkungen kann sinnvoll Vorsorge getroffen werden. Dies trifft - wie der Beschwerdefall zeigt - auch auf die Sicherheit der Ladung für den Fall einer Vollbremsung zu.

 

Führt man sich die dargestellte Rsp des OGH zum "normalen Betrieb" eines Kfz vor Augen und berücksichtigt die Verpflichtung des Lenkers zu einer Vollbremsung im Bedarfsfall, umfasst in Anbetracht der technisch möglichen Berechnung der Ladungssicherheit gerade auch für den Fall einer Vollbremsung ein "normaler Fahrbetrieb" iSd § 101 Abs 1 lit e KFG auch eine Vollbremsung.

 

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht einmal für eine Vollbremsung, sondern schon für den Fall eines starken Abbremsens festgestellt, dass es notwendig gewesen wäre, das Rundholz mit Zurrgurten zu sichern, weil die Ladung nur dadurch gegen Verrutschen nach vorne gesichert gewesen wäre; auch sei ein Herabfallen der Ladung ohne Sicherung nicht ausgeschlossen. Daraus ergibt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage, dass die Beladung auf dem vom Bf gelenkten Fahrzeug nicht den Anforderungen an die Sicherheit im normalen Fahrbetrieb entsprach und demnach unzulässig war. Auf den Abstand der Rundhölzer zur Bordwand und damit auf die vom Bf in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Geringfügigkeit der Veränderung der Lage der Ladung kommt es nicht an, weil nach den Feststellungen ohne weitere Sicherung auch ein Herabfallen der Ladung nicht auszuschließen war; dabei handelt es sich jedenfalls nicht um eine geringfügige Lageänderung.