18.01.2012 Baurecht

VwGH: Einwendungen des Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung (hier: nach § 26 Abs 1 Stmk BauG) – Kindergartenlärm als unzulässige Immission im Wohngebiet?

Die von Kindergarten ausgehenden, typischen Lärmimmissionen sind grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen


Schlagworte: Baubewilligung, Einwendungen des Nachbarn, Kindergartenlärm, unzulässige Immissionen, Wohngebiet
Gesetze:

§ 8 AVG, § 26 Stmk BauG, § 23 Abs 5 lit a Stmk ROG

GZ 2011/06/0125, 09.11.2011

 

Die Bf machen geltend, vom projektgemäßen Betrieb des Kindergartens seien unzumutbare und der Widmungskategorie jedenfalls widersprechende Lärmimmissionen zu erwarten.

 

Nach stRsp des VwGH seien Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, zwar grundsätzlich von den Nachbarn hinzunehmen, dies jedoch nur, sofern nicht besondere Umstände vorlägen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen ließen. Wie von der belangten Behörde durchaus zutreffend ausgeführt worden sei, werde die Spielnutzung in einem Kindergarten eine intensivere sein als auf einem Spielplatz in einer Wohnsiedlung, weil zwei Gruppen mit je 22 Kindern abwechselnd oder gemeinsam im Freien spielten. Demnach habe die belangte Behörde eine Immissionsprüfung als erforderlich erachtet und auch darauf verwiesen, dass "von Nachbarseite" gutachterliche Äußerungen vorgelegt worden seien, welche die potentielle Beeinträchtigung durch Lärm außer Streit stellten.

 

VwGH: In einem reinen Wohngebiet sind Wohnbauten zulässig, dann "Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen u dgl)" (also lokale Infrastruktureinrichtungen), und schließlich Nutzungen, "die dem Gebietscharakter nicht widersprechen" (§ 23 Abs 5 lit a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes – ROG). Nur bei letzteren Nutzungen kommt es auf die Frage des Widerspruches zum Gebietscharakter an. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass es sich beim gegenständlichen Kindergarten um eine Nutzung handelt, die "zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes" dient (lokale Infrastruktureinrichtung), Gegenteiliges hat sich auch nicht ergeben. § 23 Abs 5 lit a ROG sieht keine Beschränkung der von solchen Kindergärten ausgehenden Immissionen vor.

 

Wohnbauten sind in solchen reinen Wohngebieten schlechthin zulässig. Die von einem Wohnhaus im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen sind von Nachbarn hinzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend derartige Immissionen ist, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen sollten, nicht erforderlich.

 

Der VwGH hat auch wiederholt ausgesprochen, dass die von den Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen sind, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen ließen.

 

Vergleichbares wurde vom VwGH auch (wenngleich nicht iZm Kindergärten) zu Kinderspielplätzen ausgesprochen.

 

Gleiches hat sinngemäß für Kindergärten der in § 23 Abs 5 lit a ROG genannten Art zu gelten. Die von solchen Kindergärten typischerweise ausgehenden Immissionen sind daher (grundsätzlich) von den Nachbarn hinzunehmen. Richtig ist aber, dass ein Nachbar gem § 26 Abs 1 Z 3 iVm § 43 Abs 2 Z 5 Stmk BauG einen Anspruch darauf hat, dass ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt wird, dass der von den Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind. Der Maßstab für die Lärmbeurteilung nach dieser Bestimmung ist grundsätzlich das auf dem Baugrundstück anzunehmende Widmungsmaß. Dieser Maßstab wird auch eingehalten, wenn es sich um für die Widmungskategorie typische bzw um solche Lärmimmissionen handelt, die dieser Widmungskategorie entsprechen, wie es für einen Kindergarten im Gegenstandsfall anzunehmen ist. In einem solchen Fall bedarf es auch nicht der Einholung eines lärmtechnischen und medizinischen Gutachtens. Dies gilt nicht, wenn besondere Umstände gegeben sind, die eine abweichende Beurteilung geboten erscheinen lassen.

 

Solche besonderen, atypischen Umstände zeigen die Bf nicht auf und sie haben sich auch nicht ergeben. Sie erblicken atypische Umstände darin, dass es in Kindergärten besonders laut sei und auch Spielplätze zu Kindergärten lauter seien als andere Spielplätze. Folgte man dem von ihnen vorgelegten Privatgutachten mit der Beilage von Dr Z, ergäbe sich daraus, dass der Lärmpegel in Kindergärten typischerweise sehr hoch liegt (wenngleich einzelne Beispiele genannt werden, dass bei bestimmten pädagogischen Ausrichtungen der Lärmpegel deutlich geringer ist). Zu einem Kindergarten gehören typischerweise auch (wo dies räumlich möglich ist) Spielflächen im Freien, diese sind daher gleichermaßen zulässig wie der Kindergarten selbst, auf eine Übereinstimmung mit dem Gebietscharakter kommt es dabei nicht an. Angemerkt wird, dass Kindergärten der genannten Art zu jenen Nutzungen gehören, die nach der Intention des Gesetzgebers den Gebietscharakter eines solchen Wohngebietes grundsätzlich ausmachen sollen.

 

Zusammenfassend bedurfte es im Beschwerdefall mangels atypischer Umstände keiner weitergehenden Auflagen zur Schallminderung, als ohnedies angeordnet, auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen zutreffend oder unzutreffend, das Privatgutachten hingegen zutreffend ist: Vielmehr sind die von diesem Kindergarten ausgehenden, typischen  Lärmimmissionen von den Bf als Nachbarn hinzunehmen.