18.01.2012 Verkehrsrecht

VwGH: Verweigerung der Untersuchung der Atemluft (§ 5 Abs 2 iVm § 99 Abs 1 lit b StVO) iZm durch Verkehrsunfall ausgelöstem Schockzustand mit Bewusstseinseinengung

Das Vorliegen eines Schockzustandes kann durchaus von einem erfahrenen Polizisten eingeschätzt werden


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Verweigerung der Untersuchung der Atemluft, Verkehrsunfall, Schockzustand mit Bewusstseinseinengung, Panikattacken, situationsbezogenes Verhalten
Gesetze:

§ 5 Abs 2 StVO, § 99 StVO

GZ 2008/02/0394, 16.12.2011

 

VwGH: Die belangte Behörde zog zur mündlichen Verhandlung auch einen medizinischen Amtssachverständigen bei, der sowohl mit dem gesamten Akteninhalt vertraut war, als auch die Aussagen der als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten bei seiner Beurteilung, ob sich die Bf zum Tatzeitpunkt in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Schockzustand befunden habe, berücksichtigte. Dieser Amtssachverständige kam unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte des Falles (insbesondere der mit dem Unfall verbundenen Aufregung der Bf sowie ihres in der Folge unzweifelhaft situationsbezogenen Verhaltens) aus fachlicher Sicht zu dem Schluss, dass die Bf zum Tatzeitpunkt unter keiner Panikattacke litt. Diesen nicht als unschlüssig zu erkennenden fachlichen Ausführungen vermochte die Bf nichts Wesentliches entgegenzusetzen. Insbesondere ist sie diesen Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; es gehen daher auch die Beschwerdeausführungen, aus dem Werfen des Handys gegen den einschreitenden Polizeibeamten und aus dem Angriff auf den Beamten durch verbale Attacken sei eine Panikattacke in Form eines Angriffs (statt des vom medizinischen Amtssachverständigen festgestellten Fehlens einer Fluchtreaktion) abzuleiten, ins Leere.

 

Darüber hinaus wies der medizinische Amtssachverständige auch darauf hin, dass das Vorliegen eines Schockzustandes, wie er von der Bf behauptet wurde, durchaus von einem erfahrenen Polizisten eingeschätzt werden kann. Ein solcher Schockzustand konnte jedoch -  unbeschadet eines zunächst beobachteten apathischen Zustandes der Bf und der beobachteten Fehlversuche beim Bedienen des Handys durch die Bf - von beiden als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten jedenfalls für den Zeitraum der Amtshandlung betreffend die mehrfache Aufforderung zur Ablegung eines Alkomattests übereinstimmend nicht festgestellt werden. Im Übrigen legte der medizinische Amtssachverständige schlüssig dar, dass das Verhalten der Bf sehr wohl in Einklang mit der von den Polizeibeamten wahrgenommenen Alkoholisierung zu bringen war.

 

Ferner entspricht es stRsp, dass bereits auf Grund eines "situationsbezogenen" Verhaltens die Zurechnungsfähigkeit eines Probanden bejaht werden kann und es dann sogar entbehrlich wäre, insoweit ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen.

 

Dass aber die Bf anlässlich der ihr vorgeworfenen Tat ein solches situationsbezogenes Verhalten an den Tag gelegt hat, konnte die belangte Behörde auf Grund der Aussagen der von ihr als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten frei von Rechtsirrtum annehmen; die von ihr in diesem Zusammenhang vorgenommene Beweiswürdigung ist für den VwGH nicht als unschlüssig zu erkennen.

 

Dass die Bf - wie sie erst in der zweiten mündlichen Verhandlung am 3. September 2008 vor der belangten Behörde behauptete - am 2. September 2008 eine Panikattacke erlitten habe, stellt ein gesteigertes Vorbringen (nach entsprechender Kenntnis der fachlichen Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen über die typischen Erscheinungsformen einer Panikattacke) dar und vermag in diesem Zusammenhang auch nichts daran zu ändern, dass das auch auf medizinischer Ebene beurteilte Gesamtverhalten der Bf zum Tatzeitpunkt eine solche Panikattacke nicht erkennen ließ. Es bedurfte daher auch nicht der ergänzenden Einholung von medizinischen Unterlagen betreffend die am 2. September 2008 behauptete Panikattacke.

 

Jedenfalls fehlte es aufgrund des von den als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten geschilderten Gesamtverhaltens der Bf zum Tatzeitpunkt an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme einer solchen Panikattacke - dies wurde, wie schon erwähnt, auch vom medizinischen Amtssachverständigen bestätigt -, sodass für die einschreitenden Polizeibeamten keine Veranlassung bestand, zur Amtshandlung einen Arzt hinzuzuziehen. Überdies lehnte die Bf im weiteren Verlauf des Geschehens eine ärztliche Behandlung ab.

 

Auch wenn sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit dem gesamten im Zuge des Verfahrens erstatteten Vorbringen der Bf und der einvernommenen Zeugen auseinandergesetzt hat, liegt ein wesentlicher Begründungsmangel schon deshalb nicht vor, weil das geschilderte (Gesamt)Verhalten der Bf auch in die nicht als unschlüssig zu erkennende Beurteilung des medizinischen Amtssachverständigen, welcher sich mit dem vollständigen Verwaltungsakt vertraut machte und während der beiden mündlichen Verhandlungen vor der belangten Behörde anwesend war, eingeflossen ist, und es auch für diesen an hinreichenden Anhaltspunkten für eine die Dispositionsfähigkeit der Bf ausschließende Panikattacke fehlte.