25.01.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: § 4 Abs 1 Z 3 MSchG – zum Registrierungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft

Jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der Ausdrucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder der Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendet wird, ist geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen


Schlagworte: Markenschutzrecht, Eintragungshindernis, mangelnde Unterscheidungskraft, Wortverbindung
Gesetze:

§ 4 MSchG, Art 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (MarkenRL), Art 7 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMV)

GZ 2008/03/0013, 15.12.2011

 

VwGH: Die Eintragungshindernisse gem § 4 Abs 1 Z 3 bzw Z 4 MSchG stimmen mit jenen des Art 3 Abs 1 lit b bzw c der MarkenRL und des Art 7 Abs 1 lit b bzw c der GMV überein. Daher ist die Rsp des EuGH zur MarkenRL und zur GMV von Bedeutung und kann im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation zur Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des MSchG herangezogen werden.

 

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass das Eintragungshindernis nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG vorliege. Dem in Rede stehenden Zeichen fehle die Unterscheidungskraft, weil ihm nach dem Verständnis der beteiligten allgemeinen Verkehrskreise (also der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Warenklassen 3, 5, 29, 30, 31, 32 und 33) auch in seiner Gesamtheit kein über den Bedeutungsinhalt "BIO" hinausreichender Sinngehalt zukomme. Daran ändere weder die Verdoppelung (BIO BIO) noch die Hinzufügung der Wortfolge "Bioprodukte für alle" iVm der grafischen Gestaltung Entscheidendes.

 

Die Beschwerde hält dem - unter Hinweis auf die Urteile des EuGH vom 20. September 2001, Rs C-383/99P (BABY-DRY), und vom 12. Februar 2004, Rs C-363/99 (Postkantoor) und Rs C-265/00 (BIOMILD) - die Auffassung entgegen, bei der Bezeichnung "BIO BIO - BIOPRODUKTE FÜR ALLE" handle es sich um eine poetisch formulierte Anspielung, die in dieser Form ungewöhnlich, ja eigentümlich, sei und verschiedenste Interpretationen (etwa doppelt biologisch oder besonders biologisch) zulasse. Nicht unmittelbar eine Ware beschreibende Zeichen, die nur mittelbar auf deren Bestimmung anspielten, könnten aber eintragungsfähig sein. Insbesondere seien Wörter bzw Wortkombinationen, die eine gedankliche Schlussfolgerung verlangten oder lediglich im übertragenen Sinn auf die Ware hinwiesen, als Warenzeichen sehr geeignet.

 

Ausgehend von der umfassenden Definition des Begriffs der Marke in § 1 MSchG ist für den Schutz eines Zeichens als Marke entscheidend, ob das betreffende Zeichen geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise maßgeblich, die sich aus dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern der betreffenden, in den jeweiligen Warenklassen genannten, Produkte zusammensetzen.

 

Nach der ständigen - auf die Rsp des EuGH bezugnehmenden - Judikatur des VwGH ist beim Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidbarkeit von Zeichen darauf abzustellen, dass die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden.

 

Eine Marke ist nur dann unterscheidungskräftig, wenn sie unmittelbar als Zeichen für die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann. Unterscheidungskraft bedeutet also, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Unter das Eintragungshindernis nach Art 7 Abs 1 lit c der GMV fallen solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können.

 

Die bf Partei stellt nicht in Abrede, dass der Bezeichnung BIO als Angabe, die zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen kann, für die die Eintragung beantragt wird, keine Unterscheidungskraft zukommt, also das in Rede stehende Eintragungshindernis vorliegt.

 

Im Beschwerdefall ist daher lediglich zu klären, ob die Verdoppelung der Angabe BIO durch das Wortpaar BIO BIO iVm der weiteren Angabe BIOPRODUKTE FÜR ALLE und den graphischen Gestaltungselementen (weiße Schrift auf grünem Grund) einen Umstand darstellt, der - im Gesamtzusammenhang - von den maßgebenden beteiligten Verkehrskreisen als Beschreibung der betrieblichen Herkunft wahrgenommen wird.

 

Im Urteil vom 20. September 2001, Rs C-383/99P (BABY-DRY), hat der EUGH zur Kennzeichnungskraft und Eintragungsfähigkeit der Wortverbindung "Baby-dry" als Gemeinschaftsmarke für Wegwerfwindeln ua Folgendes ausgeführt:

 

"39 Unter Art 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr 40/94 fallen damit nur solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des Verbrauchers die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Eine Marke, die dieser Definition entsprechende Zeichen oder Angaben enthält, kann außerdem nur dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn sie nicht noch weitere Zeichen oder Angaben enthält und wenn ferner die in ihr enthaltenen ausschließlich beschreibenden Zeichen oder Angaben nicht in einer Weise wiedergegeben oder angeordnet sind, die das Gesamtzeichen von der üblichen Art und Weise, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder ihre wesentlichen Merkmale zu bezeichnen, unterscheidet.

 

40 Soweit, wie im vorliegenden Fall, aus Wörtern bestehende Marken in Frage stehen, muss ein etwaiger beschreibender Charakter nicht nur gesondert für jedes Wort, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festgestellt werden. Jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der Ausdrucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder der Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendet wird, ist geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen.

 

41 Dabei findet gem Art 7 Abs 2 der Verordnung Nr. 40/94 Abs 1 dieses Artikels auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen. Nach dieser Bestimmung, die in Randnummer 24 des angefochtenen Urteils zu Recht herangezogen wird, scheidet die Eintragung einer Wortverbindung als Gemeinschaftsmarke bereits dann aus, wenn sie nur in einer der innerhalb der Gemeinschaft im Verkehr verwendeten Sprachen ausschließlich beschreibend ist.

 

42 Um zu beurteilen, ob eine Wortverbindung wie Baby-dry Unterscheidungskraft haben kann, ist demgemäß vom Verständnis eines englischsprachigen Verbrauchers auszugehen. Nach diesem Verständnis hängt die Beurteilung in Bezug auf Windeln für Babies und Kleinkinder davon ab, ob die fragliche Wortverbindung als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch diese Ware zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben.

 

43 Obgleich die fragliche Wortverbindung unstreitig auf die Funktion hinweist, die diese Ware erfüllen soll, genügt sie nicht den oben in den Randnummern 39 bis 42 dargelegten Voraussetzungen. Auch wenn nämlich jedes der beiden Wörter, aus denen das Gesamtzeichen besteht, Teil im üblichen Sprachgebrauch verwendeter Ausdrücke zur Bezeichnung der Funktion von Babywindeln sein kann, ist ihre der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung kein bekannter Ausdruck der englischen Sprache, um diese Waren zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben.

 

44 Wortbildungen wie Baby-dry können folglich nicht als in ihrer Gesamtheit beschreibend angesehen werden; sie sind vielmehr Ergebnis einer lexikalischen Erfindung, die der so gebildeten Marke die Erfüllung einer Unterscheidungsfunktion ermöglicht, und können nicht gem Art 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr 40/94 von der Eintragung ausgeschlossen werden."

 

In dem über ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenem Urteil des EUGH vom 12. Februar 2004, Rs C-363/99 (Postkantoor), wiederum heißt es in diesem Zusammenhang:

 

"5.

Art 3 Abs 1 Buchstabe c der Richtlinie 89/104 ist dahin auszulegen, dass eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter iSd genannten Bestimmung hat, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht; dies setzt entweder voraus, dass das Wort aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der seinen Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht, oder dass das Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist und dort eine ihm eigene Bedeutung erlangt hat, so dass es nunmehr gegenüber seinen Bestandteilen autonom ist. Im letztgenannten Fall ist noch zu prüfen, ob das Wort, das eine eigene Bedeutung erlangt hat, nicht selbst beschreibend iSd genannten Bestimmung ist."

 

Ähnlich im Urteil vom 12. Februar 2004, Rs C-265/00 (BIOMILD):

 

"Art 3 Abs 1 Buchstabe c der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter iSd genannten Bestimmung hat, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht; dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht."

 

Die belangte Behörde ist der vor dem dargestellten Hintergrund gebotenen Vorgangsweise (keine zergliedernde Betrachtung, sondern Beurteilung des zu prüfenden Zeichens in seiner Gesamtheit) gefolgt. Die bf Partei hat nicht dargetan, dass das im Beschwerdefall in Rede stehende zusammengesetzte Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sei und dort eine ihm eigene Bedeutung erlangt habe.

 

Der VwGH vermag im Lichte der Beschwerdeausführungen auch nicht zu erkennen, dass die Beurteilung der belangten Behörde (iW: kein neuer Sinngehalt durch die Verdoppelung von BIO, vielmehr bloße Verstärkung der werblichen Aussage; die beteiligten Verkehrskreisen würden - ohne weitere gedankliche Schlussfolgerung - die Bezeichnung als Hinweis auf die Beschaffenheit der Waren (Bioprodukt) verstehen; angesichts der nur schwach ausgeprägten Gestaltung der grafischen Elemente könnten auch diese der Wortbildmarke Kennzeichnungskraft nicht verschaffen) unzutreffend sei. Eine "der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung" (wie bei BABY-DRY) von Wörtern, welche die Erfüllung einer Unterscheidungsfunktion ermöglichte, kann im fraglichen Zeichen nicht erblickt werden.

 

Soweit die bf Partei schließlich darauf verweist, dass die angemeldete Marke in anderen Staaten eingetragen worden sei und die Eintragung einer identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat der EU einen von der Behörde zu berücksichtigenden Umstand darstelle, ist sie auf das hg Erkenntnis 2008/03/0082 zu verweisen. Danach kann dies von der Behörde berücksichtigt werden, für die Entscheidung, die Anmeldung einer bestimmten Marke zuzulassen oder zurückzuweisen, aber nicht allein maßgebend sein.