01.02.2012 Verkehrsrecht

VwGH: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem § 20 StVO – zur Frage des Vorliegens eines geeichten Messgerätes

Nur wenn die belangte Behörde auf Grund des von ihr beizuschaffenden Eichscheines davon ausgehen kann, dass das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät vorschriftsmäßig geeicht war, kann sie die erfolgte Messung als zuverlässig ansehen und darauf die für den Beschwerdefall entscheidende Feststellung gründen, dass der Bf zum genannten Zeitpunkt die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten hat


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Fahrgeschwindigkeit, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, Messgerät, Einholung des Eichscheines, Ermittlungsverfahren, Beweis, Beweisantrag
Gesetze:

§ 20 StVO, § 13 MEG, § 37 AVG, § 45 AVG, § 99 StVO

GZ 2008/02/0334, 18.11.2011

 

Der Bf wurde schuldig erkannt, er habe am 08. Jänner 2007, um 10.02 Uhr, an einem näher genannten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs, die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Der Bf habe dadurch § 20 Abs 2 StVO verletzt.

 

Der Bf rügt, dass er sowohl in der Berufung als auch in der Berufungsverhandlung bestritten habe, dass im gegenständlichen Fall ein ordnungsgemäß geeichtes Messgerät verwendet worden sei und er habe die Beischaffung des Eichprotokolls beantragt, welches bei der BH Graz-Umgebung aufliege. Die belangte Behörde habe diesen Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Meldungsleger angegeben habe, das Gerät sei ordnungsgemäß geeicht gewesen und die Vorlage des Eichprotokolls zugesichert habe. Auch der beigezogene Sachverständige habe nur allgemeine Aussagen zu dem offensichtlich verwendeten Gerät machen können, wobei weder durch die Aussage des Zeugen noch durch die Angaben des Sachverständigen feststehe, wann das betreffende Gerät tatsächlich zuletzt geeicht worden sei und ob die Eichung von einer befugten, für diese Tätigkeit befähigten Stelle erfolgt sei.

 

Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich insoweit eingegangen, als sie ausführte, der Umstand, dass das verwendete Gerät geeicht gewesen sei, sei anhand der in diesem Punkt glaubwürdigen Aussage des Meldungslegers festzustellen, weshalb sich die Einholung des Eichscheines zum Gerät erübrige.

 

VwGH: Nach stRsp darf die Behörde von der Aufnahme eines von einer Partei angebotenen Beweises nur dann Abstand nehmen, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Diese Eignung kann dem oben angeführten Beweisantrag des Bf nicht abgesprochen werden. Die belangte Behörde hätte daher die beantragte Beischaffung des Eichscheines nicht ablehnen dürfen. Von einem bloßen Erkundungsbeweis, zu dessen Aufnahme die belangte Behörde nicht verpflichtet gewesen wäre, kann im Beschwerdefall deshalb keine Rede sein, weil durch die Vorlage des Eichscheines die mangelnde Funktionstauglichkeit des verwendeten Geschwindigkeitsmessgerätes unter Beweis gestellt werden sollte.

 

Die belangte Behörde hat demgemäß auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob und wann das verwendete Messsystem vorschriftsmäßig geeicht wurde (siehe dazu § 13 Abs 2 Z 2 des Maß- und Eichgesetzes), sodass die Zuverlässigkeit der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Messung nicht beurteilt werden kann. Nur wenn die belangte Behörde auf Grund des von ihr beizuschaffenden Eichscheines davon ausgehen kann, dass das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät vorschriftsmäßig geeicht war, kann sie die erfolgte Messung als zuverlässig ansehen und darauf die für den Beschwerdefall entscheidende Feststellung gründen, dass der Bf zum genannten Zeitpunkt die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten hat.