15.02.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Entziehung der Gewerbeberechtigung – schwerwiegende Verstöße iSd § 87 Abs 1 Z 3 GewO

Das in § 87 Abs 1 Z 3 GewO enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" kann nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften


Schlagworte: Gewerberecht, Entziehung der Gewerbeberechtigung, schwerwiegende Verstöße, Vielzahl geringfügiger Verletzungen
Gesetze:

§ 87 Abs 1 Z 3 GewO

GZ 2009/04/0307, 28.04.2011

 

VwGH: Gem § 87 Abs 1 Z 3 GewO ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361 GewO) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

 

Gem § 87 Abs 1 letzter Absatz GewO sind Schutzinteressen gem Z 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

 

Im Beschwerdefall ist aus dem Hinweis der belangten Behörde auf die Rsp des VwGH zu der Vielzahl geringfügiger Verletzungen (Verweis auf das Erkenntnis vom 11. November 1998, 98/04/0188)  erkennbar, dass sie die Entziehung der Gewerbeberechtigung des Bf nicht auf einen an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstoß gründete, sondern damit begründete, der Bf habe eine Vielzahl geringfügiger Verstöße begangen.

 

Nach der insoweit maßgeblichen, stRsp des VwGH kann das in § 87 Abs 1 Z 3 GewO enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der iZm dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung die Prognose stellen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich.

 

Im Beschwerdefall wurde der Bf in der Zeit von 19. Jänner 2006 bis 15. Mai 2008 unstrittig achtmal wegen Übertretungen der GewO (Überschreitung der Sperrstunde, Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen) rechtskräftig bestraft. Hiebei wurden Strafen zwischen EUR 150,-- und EUR 350,-- verhängt.

 

Nach der Rsp des VwGH bildet auch eine von der Gewerbebehörde festgestellte, durch viele Jahre andauernde Missachtung von insgesamt acht Auflagen des zur Genehmigung der Betriebsanlage des Gewerbeinhabers ergangenen Bescheides in Summe schwerwiegende Verstöße nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO (vgl das Erkenntnis vom 11. November 1998, 98/04/0188; siehe dazu aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 18. Mai 2005, 2005/04/0029).

 

Die belangte Behörde führt nun im angefochtenen Bescheid nicht näher aus, warum sie davon ausgeht, dass die von ihr festgestellten acht verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen eine in ihrer Gesamtheit für die Bejahung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs 1 Z 3 GewO ausreichende Grundlage bildet. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil diese Verwaltungsübertretungen hinsichtlich ihrer Schwere und Zahl nicht mit jenen vergleichbar sind, die der VwGH in ähnlichen Fällen als ausreichend ansah, um den Tatbestand der "schwerwiegenden Verstöße" in ihrer Gesamtheit zu erfüllen (vgl etwa das Erkenntnis vom 17. September 2010, 2010/04/0096: dort elf rechtskräftige Verwaltungsstrafen in einem relativ kurzen Zeitraum wegen Überschreitung der Sperrstunde, oder das Erkenntnis vom 24. Februar 2010, 2009/04/0303: dort 20 rechtskräftige und noch nicht getilgte Bestrafungen wegen Nichteinhaltens der gesetzlichen Öffnungszeiten).

 

Selbst wenn in Erwägung zu ziehen ist, dass der Entziehungstatbestand des § 87 Abs 1 Z 3 GewO eine gerichtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung wegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Verstöße nicht voraussetzt, sondern auch die Nichtbeachtung von Auflagen eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides zu berücksichtigen ist, so sind die Umstände des vorliegenden Beschwerdefalls mit jenen, die dem zitierten Erkenntnis vom 11. November 1998, 98/04/0188, zu Grunde lagen, schon im Hinblick auf die Anzahl der Auflagen nicht vergleichbar. Auch mit den Umständen, die dem zitierten Erkenntnis vom 18. Mai 2005 zu Grunde lagen (dort stützte die Gewerbebehörde die Entziehung auf von der Lebensmittelaufsicht festgestellte grobe hygienische Mängel, welche mehrmals eine gegen die dortige Bf gerichtete Schließung des Betriebes nach § 24 LMG erforderlich machten), ist der vorliegende Beschwerdefall nicht vergleichbar.

 

Entscheidend ist letztlich, dass die dem Bf vorgehaltenen Übertretungen solche sind, die zeigen, dass er die (insbesondere) zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Dies wird nach den Umständen des Beschwerdefalles mit dem alleine auf die vorliegende Anzahl der Übertretungen abstellenden und keine näheren Ausführungen zu den durch diese Übertretungen verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Beeinträchtigung enthaltenden angefochtenen Bescheid nicht dargetan.