28.03.2012 Verfahrensrecht

VwGH: Wiedereinsetzung - Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts iZm manipulative Tätigkeiten einer Kanzleikraft

Die Kontrolle, ob eine bis dahin zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich durchführt, ist einem Rechtsvertreter nicht zumutbar, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen


Schlagworte: Wiedereinsetzung, Rechtsanwalt, Sorgfaltspflicht, manipulative Tätigkeiten, Kanzleikraft
Gesetze:

§ 71 AVG, § 46 Abs 1 VwGG

GZ 2009/11/0267, 21.02.2012

 

VwGH: Nach stRsp des VwGH ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller einen Tatbestand des § 71 Abs 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage entsprechende Behauptungen voraussetzt.

 

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde die Angaben des Bf im Antrag auf Wiedereinsetzung nicht für nicht glaubwürdig erachtet hat.

 

Nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen war der Beschwerdeschriftsatz am letzten Tag der Beschwerdefrist bereits fertig gestellt und wies eine richtige Adressierung (an die belangte Behörde) auf Gegenteiliges wird im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Es bedurfte demnach nach der Anordnung der eingeschriebenen Postaufgabe durch die Rechtsvertreterin am 25. September 2009 nur noch der Kuvertierung, allenfalls verbunden mit einer Beschriftung des Kuverts und der Postaufgabe an diesem Tag. Von der - nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen bis zum gegenständlichen Vorfall fehlerfrei arbeitenden - Mitarbeiterin waren aus der Sicht der Rechtsvertreterin folglich nur manipulative Tätigkeiten iSd Rsp des VwGH durchzuführen. Im Lichte dieser Judikatur ist aber die Kontrolle, ob eine bis dahin zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich durchführt, einem Rechtsvertreter nicht zumutbar, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen.

 

Dass die Rechtsvertreterin den Vorgang der Beschriftung des Kuverts "offensichtlich" beobachten habe können, stellt angesichts des Wortlauts des Wiedereinsetzungsvorbringens eine bloße Mutmaßung dar, die nicht geeignet ist, ein relevantes Verschulden des Rechtsvertreters aufzuzeigen.

 

Im Beschwerdefall ist somit davon auszugehen, dass auf der Basis des Wiedereinsetzungsvorbringens weder dem Bf noch seinem bevollmächtigten Vertreter ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist infolge Fehladressierung des Kuverts vorgeworfen werden kann.