28.03.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Ausscheiden von Angeboten auf Grund nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises iSd § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 (hier iZm Aufforderung zur „geringfügigen Modifizierung" der Kalkulation)

Die vertiefte Angebotsprüfung dient der Überprüfung der Preise des Angebotes und nicht deren Neukalkulation; daher war die im gegenständlichen Vergabeverfahren (dabei handelte es sich nicht um ein Verhandlungsverfahren gem § 25 Abs 5 oder 6 BVergG 2006) an die Bf ergangene Aufforderung zur "Neukalkulation" eines Kalkulationsblattes rechtswidrig, und zwar unabhängig davon, welchen Umfang diese Neukalkulation haben sollte


Schlagworte: Vergaberecht, Prüfung der Angemessenheit der Preise, vertiefte Angebotsprüfung, Ausscheiden von Angeboten, nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises / Teilpreises, betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit, Aufforderung zur „geringfügigen Modifizierung" der Kalkulation
Gesetze:

§ 125 BVergG 2006, § 129 BVergG 2006

GZ 2007/04/0218, 28.02.2012

 

VwGH: Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Ausscheidung des Angebotes der Bf gem § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 als rechtmäßig angesehen, sodass entscheidend ist, ob das Angebot der Bf eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweist. Die fehlende Plausibilität des von der Bf angebotenen Gesamtpreises hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall deshalb angenommen, weil die von der Bf über Aufforderung der Auftraggeberin vorgelegten Kalkulationsblätter unterschiedliche Ansätze enthielten und daher inhaltlich voneinander abwichen. Dem Einwand der Bf, diese sei von der Auftraggeberin zur "Neukalkulation" eines näher genannten Kalkulationsblattes aufgefordert worden, hielt die belangte Behörde entgegen, diese Aufforderung könne nicht dahin verstanden werden, die Kalkulation grundlegend zu ändern, sondern sei lediglich als "Anstoß zu einer geringfügigen Modifizierung" zu verstehen.

 

Die Bf bringt auch in der Beschwerde vor, sie sei von der Auftraggeberin, obwohl ihr Angebot bereits ein K3- Blatt enthalten habe, mit Schreiben vom 16. Februar 2007 aufgefordert worden, die "Neukalkulation" eines K3-Blattes nachzureichen, was zwangsläufig eine Änderung der bisherigen Kalkulation erfordert habe. Die Auftraggeberin habe daher "durch Anstiftung zu neuer K3 Kalkulation" die Vorlage geänderter K3- Blätter "ausgelöst und mitverursacht" und diese auch in weiterer Folge ohne Vorbehalt angenommen. Die Vorlage geänderter Kalkulationsblätter könne daher nicht gegen die Bf ins Treffen geführt werden. Abgesehen davon habe eine Änderung (bloß) der Kalkulationsunterlagen keine Auswirkung auf den Angebotspreis, nur dieser sei für die Auftraggeberin maßgeblich.

 

Der Ausscheidungsgrund des § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 setzt neben dem Umstand der nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises (bzw von Teilpreisen) weiters voraus, dass dieser Umstand durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellt wurde. Bei der vertieften Angebotsprüfung ist gem § 125 Abs 4 BVergG 2006 zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Zu diesem Zweck hat der Auftraggeber gem Abs 5 leg cit vom Bieter eine verbindliche schriftliche, bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische "Aufklärung" zu verlangen. Die vertiefte Angebotsprüfung dient somit nach den genannten Bestimmungen der Überprüfung der Preise des Angebotes und nicht deren Neukalkulation, würde doch eine Neukalkulation dem Bieter die Möglichkeit eröffnen, einen ursprünglich möglicherweise unplausiblen Preis zu einem plausiblen zu machen, was dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz des Verfahrens widerspräche. Daher war die im gegenständlichen Vergabeverfahren (dabei handelte es sich nicht um ein Verhandlungsverfahren gem § 25 Abs 5 oder 6 BVergG 2006) an die Bf ergangene Aufforderung zur "Neukalkulation" eines Kalkulationsblattes rechtswidrig, und zwar unabhängig davon, welchen Umfang diese Neukalkulation haben sollte. Unzutreffend ist daher die Ansicht der belangten Behörde, die genannte Aufforderung sei unbedenklich, weil sie bloß als Anstoß zu einer "geringfügigen Modifizierung" zu verstehen sei. Da sich die belangte Behörde nicht darüber hinausgehend mit der in Rede stehenden Aufforderung zur Neukalkulation auseinander gesetzt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese, wie die Beschwerde einwendet, auch den Inhalt der weiteren vorgelegten Kalkulationsblätter beeinflusst hat. Nach dem Gesagten ist somit davon auszugehen, dass die vertiefte Angebotsprüfung im vorliegenden Fall nicht den zitierten Bestimmungen des BVergG 2006 entsprach, sodass sich auch die Annahme der Erfüllung des Tatbestandes des § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 als rechtswidrig erweist.

 

Für das fortgesetzte Verfahren sei im Übrigen angemerkt, dass sich der Sachverständige Ing. P in seinem Gutachten vom 7. August 2007 nicht nur zu der (von ihm nicht zu beurteilenden) Rechtsfrage geäußert hat, ob die Vorlage geänderter Kalkulationsgrundlagen "zulässig" sei, sondern sich insbesondere auch mit der eigentlichen Gutachtensfrage der betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit der Preise des Angebotes der Bf auseinander gesetzt hat, wobei er "nach eingehender Prüfung aller von der (Bf) vorgelegten Unterlagen und Aufklärungen" (§ 125 Abs 5 zweiter Satz BVergG 2006) zu dem Ergebnis gelangt ist, die zusätzlichen Unterlagen bzw Aufklärungen seien "grundsätzlich plausibel und nachvollziehbar". Der "niedrige Einheitspreis" sei auch unter dem Aspekt, dass die Firmengruppe gut aufeinander abgestimmte, mobile und modern ausgestattete Einsatzgruppen zur Verfügung habe, "erklärbar". Mit diesem Gutachtensergebnis hat sich die belangte Behörde ebenso wenig inhaltlich auseinander gesetzt (erforderlichenfalls unter Beiziehung eines eigenen Sachverständigen) wie mit den von der Bf bereits im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Gutachten des Dr. G und Dr. E (die erst in der Gegenschrift erfolgte Auseinandersetzung mit diesen Gutachten kann die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mehr ergänzen). Schließlich bleibt im gegebenen Zusammenhang mangels hinreichender Feststellungen auch unklar, welche konkreten Teilpreise des Angebotes der Bf überhaupt Gegenstand der vertieften Angebotsprüfung sein sollten und aus welchen Gründen diese nicht bereits aufgrund der mit dem Angebot vorgelegten Kalkulation plausibel waren.