09.05.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Vorschreibung von nachträglichen Auflagen gem § 79 Abs 1 GewO

Die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO setzt voraus, dass bei Einhaltung der bereits vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen die gem § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen nicht in ausreichendem Maß gesichert sind; um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es entsprechender, in der Regel unter Beiziehung eines Sachverständigen zu treffender Feststellungen, ob und welche Gefahren, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen drohen


Schlagworte: Gewerberecht, Betriebsanlagen, nachträgliche Auflagen
Gesetze:

§ 79 GewO, § 77 GewO

GZ 2010/04/0038, 14.03.2012

 

VwGH: Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gem § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde gem § 79 Abs 1 GewO die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben.

 

Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, va wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

 

Die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO setzt voraus, dass bei Einhaltung der bereits vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen die gem § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen nicht in ausreichendem Maß gesichert sind. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es entsprechender, in der Regel unter Beiziehung eines Sachverständigen zu treffender Feststellungen, ob und welche Gefahren, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen drohen.

 

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde weitere sachverständige Äußerungen eingeholt, die im Wesentlichen aus medizinischer Sicht zum Ergebnis kamen, dass die Einhaltung eines näher bezeichneten Grundgeräuschpegels zur Nachtzeit zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung erforderlich ist. Für den VwGH sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die vom gewerbetechnischen Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen nicht zur Erreichung dieser Lärmgrenzwerte erforderlich wären. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rsp des VwGH zu § 79 Abs 1 GewO in dem Fall, dass das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen.

 

Der Bf wendet gegen den angefochtenen Bescheid vielmehr im Wesentlichen ein, die durchgeführten Lärmmessungen aus dem Jahre 2000 dürften für eine Vorschreibung zusätzlicher Auflagen im Jahre 2010 nicht mehr herangezogen werden.

 

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 28. September 2011, 2011/04/0117, festgehalten, dass Sachverständigengutachten aus den Jahren 1999 bzw 2002 - ohne neuerliche Befassung von Sachverständigen - für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage im Jahre 2011 keine taugliche Grundlage bilden können, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Lärmsituation sowie der Stand der Technik bzw der Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften in diesem nicht unbeträchtlichen Zeitraum von 12 bzw 9 Jahren geändert habe. Der VwGH hat in diesem Erkenntnis aber weiter festgehalten, dass es durchaus (auch iSd in § 39 Abs 2 AVG angesprochenen Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis) zulässig sei, Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, inwieweit aus sachverständiger Sicht die bereits das vorliegende Projekt betreffenden eingeholten Gutachten aufrechterhalten werden können.

 

Im Beschwerdefall befasste die belangte Behörde - aufgrund der Einwendungen des Bf im Verwaltungsverfahren, dass sich zusätzliche Betriebe im Bereich der Betriebsanlage angesiedelt hätten und daher neuerliche Messungen nötig seien - den gewerbetechnischen Sachverständigen mit der Frage, ob seit den schalltechnischen Erhebungen im Jahr 2000 zusätzliche Schallemittenten entstanden seien. In der Folge kam dieser zum Schluss, es sei nicht anzunehmen, dass die Umgebungsgeräuschsituation im Bereich des Bf durch den Betrieb der neuen Gastgewerbebetriebe beeinflusst werde. Diesen nicht als unschlüssig zu erkennenden sachverständigen Ausführungen tritt der Bf nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Auch der Hinweis auf eine "schalltechnische Überprüfung" am 12. Dezember 2009 ist nicht geeignet, die Unschlüssigkeit des Gutachtens darzulegen. Aus dem in den vorgelegten Verwaltungsakten aufliegenden Aktenvermerk ist lediglich ersichtlich, dass zwischen 23:33 Uhr und 23:55 Uhr eine Hörprobe im Schlafzimmer des Mitbeteiligten durchgeführt wurde. Es sind jedoch keinerlei konkrete Messungen angeführt, die jene aus dem Jahr 2000 sowie die Schlussfolgerungen des gewerbetechnischen Sachverständigen widerlegen würden. Ausgehend davon begegnet die Heranziehung der Messungen aus dem Jahre 2000 fallbezogen keinen Bedenken.

 

Dass der Bf eine der gem § 79 Abs 1 GewO vorgeschriebenen Auflagen bereits erfüllt hat, macht den angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht rechtswidrig.