09.05.2012 Arbeitsrecht

VwGH: Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen gem § 4 Abs 4 BAG (wegen gröblicher Pflichtverletzung iSd lit d)

§ 4 Abs 4 lit d BAG knüpft als Tatbestandsvoraussetzung nicht an eine in der Vergangenheit erfolgte Pflichtverletzung durch den Lehrberechtigten oder den Ausbilder an, sondern an einen in der Gegenwart, also im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch die Behörde gegebenen Zustand


Schlagworte: Berufsausbildungsrecht, Lehrling, Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen, gröbliche Pflichtverletzung
Gesetze:

§ 4 Abs 4 lit d BAG, § 9 BAG

GZ 2011/04/0118, 14.03.2012

 

VwGH: Gem § 4 Abs 4 lit d BAG hat die Bezirksverwaltungsbehörde einem Lehrberechtigten nach Anhörung der für ihn zuständigen Fachgruppe (Fachvertretung, Kammer der gewerblichen Wirtschaft - Sektion Handel) und der Kammer für Arbeiter und Angestellte die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen, wenn der Lehrberechtigte oder der Ausbilder die Pflichten gegenüber seinem Lehrling gröblich verletzt, insbesondere wenn eine dieser Personen an dem nicht entsprechenden Ergebnis einer Lehrabschlussprüfung Schuld trägt, Vereinbarungen betreffend eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsverbundes nicht einhält oder diese Personen bzw die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Personen wiederholt gem § 32 Abs 1 BAG bestraft wurden und dennoch diesen Pflichten nicht nachgekommen sind.

 

Nach Abs 5 leg cit kann die Ausbildung von Lehrlingen für immer oder auch, je nach der Art des Grundes, aus dem die Nichteignung des Lehrberechtigten oder des Ausbilders anzunehmen ist, für eine angemessene Zeit untersagt werden.

 

Ist die Nichteignung des Ausbilders (Abs 4 lit a bis d) oder des Betriebes oder der Werkstätte der Grund der Maßnahme, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde von dem Verbot abzusehen oder ein bereits erlassenes Verbot aufzuheben, wenn ein geeigneter Ausbilder mit der Ausbildung betraut wurde oder der Lehrberechtigte selbst die Ausbildung übernimmt bzw wenn der Betrieb oder die Werkstätte nunmehr den Anforderungen des § 2 Abs 6 BAG entspricht.

 

Die in § 4 Abs 4 lit d BAG vorgesehene Maßnahme ist, wie sich sowohl aus der Formulierung dieser Norm als auch aus dem systematischen Zusammenhang, insbesondere aus der Regelung des § 4 Abs 5 leg cit ergibt, nicht als Sanktionierung eines in der Vergangenheit gelegenen Fehlverhaltens des Lehrberechtigten oder des Ausbilders zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine Sicherungsmaßnahme im Interesse der Lehrlinge, mit dem Ziel, Lehrlinge vor ungeeigneten Lehrberechtigten oder Ausbildern zu schützen. § 4 Abs 4 lit d leg cit knüpft als Tatbestandsvoraussetzung nicht an eine in der Vergangenheit erfolgte Pflichtverletzung durch den Lehrberechtigten oder den Ausbilder an, sondern, wie sich aus der Verwendung der in diesem Text gesetzten Zeitworte in der Gegenwart ergibt, an einen in der Gegenwart, also im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch die Behörde gegebenen Zustand. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Bestimmung des § 4 Abs 5 leg cit gestützt, aus dem die Absicht des Gesetzgebers zu erkennen ist, von einer Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen abzusehen, wenn trotz Verwirklichung eines Tatbestandes iSd § 4 Abs 4 lit d leg cit in der Vergangenheit nunmehr dieser Missstand weggefallen ist.

 

Die Beschwerde macht geltend, aufgrund des festgestellten Sachverhaltes könne keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass der Bf sich nicht um seine Lehrlinge kümmere und der sittlichen Entwicklung von Jugendlichen hinderlich sei. Bis auf den festgestellten Vorfall gebe es bis dato keinerlei Beschwerden und Verfahren mit den im Betrieb des Bf tätigen Jugendlichen, obwohl er nicht nur einen, sondern mehrere Jugendliche ausgebildet habe. Die Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen (auf Dauer) sei daher nicht rechtens.

 

Mit diesem Vorbringen ist der Bf - im Ergebnis - im Recht:

 

Die belangte Behörde gründete die Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen - anders als die Behörde erster Instanz - nur mehr auf die Feststellung, dass Lehrlinge im Betrieb des Bf va in Stresszeiten beschimpft würden, dass Lehrlingen mit der flachen Hand auf den Rücken geschlagen werde, um sie zu "motivieren und zur Arbeit anzutreiben", bzw dass der Bf einen schlechten Scherz (angedeuteten Fußtritt) zu Lasten eines namentlich angeführten Lehrlings gemacht habe. Dabei stützte sie sich ausschließlich auf Beweisergebnisse betreffend Vorfälle im Jahr 2006.

 

Durch die festgestellten Verhaltensweisen hat der Bf - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - gegen seine Pflichten als Lehrberechtigter zwar verstoßen. Die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides beinahe fünf Jahre zurückliegenden Ereignisse sind aber - entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde - nicht geeignet, die Annahme zu rechtfertigen, der Bf verletze seine Pflichten gegenüber Lehrlingen (insbesondere iSd § 9 Abs 3 BAG) im maßgeblichen Zeitpunkt (Zustand bei Erlassung des angefochtenen Bescheides) in gröblicher Weise. Dazu hätte es Feststellungen über den Zustand (Einhaltung der Pflichten des Lehrberechtigten) im Betrieb des Bf im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bedurft, welche die belangte Behörde aufgrund ihrer irrtümlichen Rechtsansicht, schon das festgestellte Fehlverhalten müsse zur Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen im gegenständlichen Fall führen, unterlassen hat; dadurch hat sie den angefochtenen Bescheid mit sekundären Feststellungsmängeln belastet.