23.05.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Mitspracherecht der Nachbarn bei der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage?

Es besteht kein Mitspracherecht der Nachbarn bei der Frage, ob eine gewerbliche Betriebsanlage genehmigungspflichtig ist oder nicht


Schlagworte: Gewerberecht, Nachbarrechte, Betriebsanlage, Genehmigungspflicht, Anzeige
Gesetze:

§ 74 Abs 2 GewO, § 75 Abs 2 GewO, § 77 GewO, § 81 GewO, § 353 GewO

GZ 2010/04/0108, 02.02.2012

 

Die Bf ist Nachbarin der gewerblichen Betriebsanlage und erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid infolge rechtswidriger Anwendung des Anzeigeverfahrens gem § 81 Abs 3 iVm § 81 Abs 2 Z 9 GewO sowie infolge rechtswidriger Nichtanwendung der §§ 74 ff GewO in ihrem Recht auf "Wahrnehmung ihrer uneingeschränkten, durch AVG und GewO eingeräumten Parteirechte/Parteistellung" verletzt.

 

Hiezu bringt sie im Wesentlichen vor, § 81 Abs 2 Z 9 GewO sei vorliegend nicht anzuwenden, da eine notwendige umfassende Prüfung der Gesamtsituation weder im gegenständlichen noch in den beiden zugrunde liegenden vereinfachten Verfahren erfolgt sei. Vielmehr sei zu erwarten, dass sich die Emissionssituation durch Genehmigung der Zusammenlegung noch weiter wesentlich zum Nachteil der Nachbarn verschlechtern werde. Die belangte Behörde hätte daher die Einwendungen der Bf im angefochtenen Bescheid inhaltlich behandeln müssen.

 

VwGH: Nachbarn sind gem § 75 Abs 2 GewO alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht iSd vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.

 

Die Betriebsanlage ist gem § 77 Abs 1 GewO zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen iSd § 74 Abs 2 Z 1 GewO vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen iSd § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 GewO auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gem § 81 Abs 2 Z 9 GewO ist eine Genehmigungspflicht nach Abs 1 jedenfalls nicht gegeben bei Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen. Nach § 81 Abs 3 GewO sind Änderungen gem § 81 Abs 2 Z 9 GewO der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

 

Kein Mitspracherecht der Nachbarn bei der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage:

 

Die Parteistellung im Verwaltungsverfahren dient der Durchsetzung der vom Gesetz einer Partei zugestandenen subjektivöffentlichen Rechte. Diese bestimmen den Rahmen, in welchem der Partei ein Mitspracherecht zusteht. Rechtswidrigkeiten, die einem Bescheid außerhalb dieses Rahmens allenfalls anhaften, kann eine Partei nicht geltend machen. Die subjektiven Rechte des Nachbarn im Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage ergeben sich in erster Linie aus § 74 Abs 2 GewO.

 

In den in der GewO festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn iSd § 75 Abs 2 GewO durch einen Genehmigungsbescheid nach § 77 oder § 81 nur im Rahmen ihrer - durch rechtzeitig erhobene Einwendungen erhaltenen - Parteistellung verletzt werden.

 

Wie der VwGH bereits erkannt hat, werden die in § 74 Abs 2 GewO normierten subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn durch die amtswegige Wiederaufnahme eines - durch die auf § 13 Abs 3 AVG iVm § 353 GewO gestützte Zurückweisung des Genehmigungsansuchens - rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens oder durch die Aufhebung einer auf § 13 Abs 3 AVG iVm § 353 GewO gestützten Zurückweisung eines Antrages auf Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage nicht berührt.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage im Instanzenzug zurückgewiesen, weil die belangte Behörde der Auffassung war, die vorliegende Änderung falle unter den Anzeigetatbestand des § 81 Abs 2 Z 9 GewO und sei daher nicht genehmigungspflichtig.

 

Ungeachtet der Frage, ob diese Auffassung der Rechtslage entsprach, ist festzuhalten, dass die Zurückweisung eines Antrages auf Genehmigung (der Änderung) einer gewerblichen Betriebsanlage die in § 74 Abs 2 GewO normierten subjektiv-öffentlichen Rechte der Bf als Nachbarin der Betriebsanlage nicht berührt.

 

Die vorliegende Zurückweisung des Antrages der mitbeteiligten Partei zeichnet sich zwar dadurch aus, dass damit die Auffassung der belangten Behörde, für das vorliegende Projekt sei eine Genehmigungspflicht nach § 81 iVm § 74 Abs 2 GewO nicht gegeben, sondern Anzeigeverfahren nach § 81 Abs 2 Z 9 GewO durchzuführen, überbunden wurde.

 

Jedoch besteht kein Mitspracherecht der Nachbarn bei der Frage, ob eine gewerbliche Betriebsanlage genehmigungspflichtig ist oder nicht:

 

Ob eine gewerbliche Betriebsanlage bzw deren Änderung nur mit Genehmigung ausgeführt werden darf, ist nämlich eine Frage, welche die Rechtsstellung der Nachbarn keinesfalls berührt. Die GewO räumt den Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht ein, in das durch die Annahme der Genehmigungspflicht bzw Genehmigungsfreiheit einer Anlage eingegriffen werden könnte.

 

Dass Nachbarn keine Parteistellung hinsichtlich der Frage Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage haben, ist auch aus § 358 Abs 1 GewO ersichtlich. Diese Bestimmung sieht eine diesbezügliche Feststellung nur aufgrund des Antrages des Konsenswerbers, nicht aber über Antrag des Nachbarn vor.

 

Daher kann die Bf durch die vorliegende Zurückweisung des Antrages der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten als Nachbarin dieser Betriebsanlage verletzt werden.