30.05.2012 Arbeitsrecht

VwGH: Disziplinarstrafe für einen Kriminalbeamten, der sich kinderpornographisches Material verschafft

Aus einer bloßen Randbemerkung in der Disziplinaranzeige ("Bei … wird Besserungsfähigkeit angenommen") darf nicht für sich allein und unter Außerachtlassung jedweder weitergehenden Betrachtung der Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten, entgegen der Beurteilung der Behörde erster Instanz und ohne Durchführung von Ermittlungen hiezu geschlossen werden, der Beamte werde sich künftig wohl verhalten


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Disziplinarstrafe, Strafbemessung, Entlassung, pornographische Darstellungen Minderjähriger, Prognose
Gesetze:

§§ 91 ff BDG, § 43 BDG, § 207a StGB

GZ 2011/09/0150, 22.03.2012

 

Ein Kriminalbeamter wurde mit Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz schuldig erkannt, er habe im Zeitraum April 2005 bis April 2008 in seiner Freizeit wiederholt auf Internetseiten mit kinderpornographischem Material zugegriffen bzw sich dort Bilder verschafft. Er habe solche Bilder in großen Mengen am Bildschirm betrachtet und diese auf einen Datenträger herunter geladen, um im Besitz von kinderpornographischen Darstellungen mit mündigen minderjährigen und mit unmündigen Personen zu sein. Wegen dieser Dienstpflichtverletzung wurde die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. (Im gerichtlichen Strafverfahren wurde der Kriminalbeamte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt).

 

Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt gab der Berufung des Beamten, die sich nur gegen die Strafbemessung richtete, Folge und verhängte an Stelle der Entlassung die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von fünf Monatsbezügen.

 

Dagegen richtete sich Beschwerde des Disziplinaranwaltes an den VwGH.

 

VwGH: Die Beschwerde ist schon deshalb erfolgreich, weil die Berufungsbehörde aufgrund des im Disziplinarverfahren geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes eine mündliche Verhandlung durchführen hätte müssen. Die Umwandlung der Entlassung in eine Geldstrafe beruhte auf geänderter Beweiswürdigung, was jedenfalls eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

 

Die Berufungsbehörde wird bei der Würdigung der Beweisergebnisse zu berücksichtigen haben:

 

Aus einer bloßen Randbemerkung in der Disziplinaranzeige ("Bei … wird Besserungsfähigkeit angenommen") darf jedenfalls nicht für sich allein und unter Außerachtlassung jedweder weitergehenden Betrachtung der Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten, entgegen der Beurteilung der Behörde erster Instanz und ohne Durchführung von Ermittlungen hiezu geschlossen werden, der Beamte werde sich künftig wohl verhalten.

 

Zu berücksichtigen ist schließlich der besonders lange Tatzeitraum von ca drei Jahren und der Umstand, dass der Disziplinarbeschuldigte ca 450 Bilder iSd § 207a Abs 3 StGB aus dem Internet heruntergeladen und angesehen sowie weitere 318 derartige Bilder auf einer externen Festplatte gespeichert hat, sodass auch von einer besonderen Häufigkeit des strafbaren Verhaltens auszugehen.

 

Hingegen hat die "angespannte finanzielle Lage" des Beamten iZm den gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen bei der Beurteilung, ob eine Entlassung geboten ist oder nicht, keine Bedeutung.

 

Insgesamt hat sich die Berufungsbehörde mit den gegen ein künftiges Wohlverhalten sprechenden Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt; der angefochtene Bescheid war auch aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit belastet.