13.06.2012 Verkehrsrecht

VwGH: Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen gem § 32 FSG

Auch die Auflage des Lenkens der Fahrzeuge nur in Begleitung geeigneter (vertrauter) Personen und/oder an bestimmten Örtlichkeiten kommen als Einschränkungen iSd § 32 Abs 1 FSG in Betracht


Schlagworte: Führerscheinrecht, Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen, Auflagen, Beschränkungen
Gesetze:

§ 31 FSG, § 32 FSG, § 3 FSG-GV, § 8 FSG, § 7 FSG

GZ 2008/11/0046, 24.04.2012

 

Die Beschwerde wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Bf verfüge nicht über die ausreichende gesundheitliche Eignung zum Lenken ua von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen. Die Beschwerde nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf einzelne Situationen der durchgeführten Beobachtungsfahrt und meint, nicht zuletzt auf Grund der vorgelegten fachärztlichen (neurologisch/psychiatrischen) Stellungnahme des DDr. K. hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Bf sehr wohl geeignet und fähig sei, ein Fahrzeug iSd § 32 FSG zu lenken.

 

VwGH: Der VwGH hat im Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, 2004/11/0149, ausgeführt, dass die in der FSG-GV aufgestellten Kriterien für die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen grundsätzlich - unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten beim Lenken der im § 32 Abs 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge - für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung (§ 8 FSG) zum Lenken der hier in Rede stehenden Kraftfahrzeuge herangezogen werden können. Dabei seien jedoch - zumal die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 oder Gruppe 2 auch anders beurteilt werden könnte als die Eignung zum Lenken der im § 32 Abs 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge - Ausführungen dazu erforderlich, inwieweit der Betreffende zum Lenken des hier in Rede stehenden Fahrzeuge geeignet sei.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Führerscheinbehörde, ausgehend von der bei der Bf bestehenden Trisomie 21, zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung nicht nur ein amtsärztliches Gutachten eingeholt, sondern iSd § 3 Abs 3 FSG-GV auch auf die von der Bf vorgelegte fachärztliche (neurologisch/psychiatrische) Stellungnahme des DDr. K. Bedacht genommen. Nach der genannten, im Akt enthaltenen Stellungnahme bestehe aus fachärztlicher Sicht kein Einwand gegen die bedingte und befristete Erteilung einer Lenkberechtigung an die Bf, wenn (ua) eine Testfahrt (Beobachtungsfahrt) seitens der Bf positiv absolviert werde. Diese Beobachtungsfahrt hat die belangte Behörde angeordnet und ist im Hinblick auf das dargestellte Ergebnis dieser Beobachtungsfahrt zu dem Ergebnis gelangt, dass die gesundheitliche Eignung der Bf zum Lenken der im § 32 Abs 1 FSG genannten Kraftfahrzeuge bei der Bf nicht im erforderlichen Ausmaß vorliege. Konkret spricht die belangte Behörde von einer "bestehenden Verlangsamung", die zu "nicht vertretbaren Gefahren, insbesondere bei Vorrangsituationen" führe.

 

Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, ist sie doch nachvollziehbar aus dem - mit den Ergebnissen der Beobachtungsfahrt übereinstimmenden - amtsärztlichen Gutachten abzuleiten, das sich insoweit auch mit der von der Bf vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme des DDr. K. (in dieser ist ua von einer "psychomotorischen Verlangsamung" die Rede) deckt.

 

Ausgehend von der (insbesondere auch im amtsärztlichen Gutachten) festgestellten "Verlangsamung" des Reaktionsvermögens der Bf und unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Beobachtungsfahrt hätte sich die belangte Behörde jedoch - in Anbetracht der möglichen Rechtsfolgen, die in den Z 1 bis 3 des § 32 Abs 1 FSG genannt sind - nachvollziehbar mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei der gegebenen gesundheitlichen Situation der Bf ausschließlich die Verhängung eines Lenkverbotes in Betracht kommt, oder ob (gleichsam als gelinderes Mittel) bestimmte Auflagen bzw Beschränkungen iSd § 32 Abs 1 Z 2 und 3 FSG ausreichen. Für die letztgenannten Maßnahmen spricht nämlich nicht nur, dass auch die fachärztliche Stellungnahme des DDr. K. eine "Beschränkung auf den regionalen Bereich" vorschlägt, sondern insbesondere der von der belangten Behörde nicht angezweifelte Umstand, dass die Bf im Beisein ihrer Mutter bereits 1.700 km mit dem Leichtkraftfahrzeug zurückgelegt hat. Die Beschwerde wendet daher zutreffend ein, dass sich die belangte Behörde in nachvollziehbarer Weise insbesondere mit der Frage auseinander setzen hätte müssen, ob mit der Auflage des Lenkens der genannten Fahrzeuge nur in Begleitung geeigneter (ihr vertrauter) Personen und/oder an bestimmten Örtlichkeiten das Auslangen gefunden werden kann.

 

Die belangte Behörde hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Frage unterlassen, weil sie (unzutreffend) die Auffassung vertrat, eine solche Auflage sei "dem Gesetz fremd". Sie übersieht dabei, dass § 32 FSG eine solche Auflage für das Lenken der dort genannten Kraftfahrzeuge nicht ausschließt. Außerdem geht aus der Richtlinie des Rates über den Führerschein 91/439/EWG in ihrer siebenten Begründungserwägung hervor, dass besondere Bestimmungen zu erlassen seien, um Personen mit Behinderung den Zugang zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erleichtern, wobei die Richtlinie 2000/56/EG unter Anhang I Codenummer 05.05 als mögliche Einschränkung der Fahrerlaubnis das "Fahren nur mit Beifahrer, der im Besitz eines Führerscheins sein muss", vorsieht. Auch in § 2 Abs 3 der Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung ist eine entsprechende Einschränkungsmöglichkeit der Lenkberechtigung ausdrücklich vorgesehen. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass eine solche Einschränkung nicht auch in Bezug auf das Lenken vierrädriger Leichtkraftfahrzeuge gem § 32 Abs 1 FSG in Betracht kommt.