27.06.2012 Sozialrecht

VwGH: Befreiung von der Rezeptgebühr wegen besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit gem § 5 RZZ 2008

Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit iSd § 5 RZZ 2008 wird etwa dann gegeben sein, wenn trotz eines den Richtsatz um mehr als 15 % übersteigenden Einkommens gerade auf Grund der wegen einer länger dauernden medikamentösen Behandlung zu entrichtenden Rezeptgebühren eine soziale Situation eintritt, die jener vergleichbar ist, die auch bei Personen besteht, die die allgemeinen Kriterien der §§ 3 und 4 RZZ 2008 erfüllen; neben krankheitsbedingten Aufwendungen sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten zu berücksichtigen; es ist dabei zu prüfen, ob das Einkommen durch krankheitsbedingte Aufwendungen (worunter auch Rezeptgebühren fallen) und etwaige andere Belastungen derart verringert wird, dass wiederum die soziale Schutzwürdigkeit von Richtsatzbeziehern erreicht würde; bei der Prüfung sind aber Ausgaben der allgemeinen Lebensführung, etwa für Miete, Gas und Strom sowie Bekleidung, aber auch Kosten für ein Fahrzeug (jedenfalls im Allgemeinen) nicht zu berücksichtigen


Schlagworte: Befreiung von der Rezeptgebühr, besondere soziale Schutzbedürftigkeit, längere Krankheit
Gesetze:

§ 136 ASVG, § 31 Abs 5 Z 16 ASVG, Richtlinien über die Befreiung von der Rezeptgebühr 2008 (RRZ 2008)

GZ 2009/08/0097, 23.05.2012

 

VwGH: Die Richtlinien über die Befreiung von der Rezeptgebühr 2008 (RRZ 2008) umschreiben entsprechend der gesetzlichen Anordnung in § 31 Abs 5 Z 16 ASVG zunächst den für die Befreiung von der Rezeptgebühr in Betracht kommenden Personenkreis nach allgemeinen Gruppenmerkmalen. Bei Erfüllung dieser allgemeinen Merkmale, wie sie in den §§ 3 und 4 der Richtlinien normiert sind, liegt besondere soziale Schutzbedürftigkeit iSd § 136 Abs 5 ASVG unwiderleglich vor. Für die Befreiung in besonderen Fällen, welche auf Grund des § 31 Abs 5 Z 16 dritter Halbsatz ASVG in § 5 der Richtlinien vorgesehen ist, ist es erforderlich, dass eine der nach allgemeinen Kriterien umschriebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit iSd §§ 3 und 4 der Richtlinien vergleichbare Situation vorliegt, ohne dass die Tatbestandsmerkmale der §§ 3 und 4 der Richtlinie verwirklicht werden. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn trotz eines den Richtsatz um mehr als 15 % übersteigenden Einkommens gerade auf Grund der wegen einer länger dauernden medikamentösen Behandlung zu entrichtenden Rezeptgebühren eine soziale Situation eintritt, die jener vergleichbar ist, die auch bei Personen besteht, die die allgemeinen Kriterien der §§ 3 und 4 der Richtlinien erfüllen.

 

Aus §§ 3 und 4 Abs 1 Z 1 und 2 RRZ 2008 ist abzuleiten, dass Personen, die ein höheres als ein dem Richtsatz entsprechendes Einkommen beziehen, grundsätzlich die Rezeptgebühr selbst zu tragen haben. Leidet der Versicherte unter Krankheiten oder Gebrechen, durch die ihm erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen, ist aber auf Antrag gem § 4 Abs 1 Z 3 RRZ 2008 eine Befreiung zu gewähren, sofern das Einkommen 115 % des Richtsatzes nicht übersteigt. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass einem Versicherten, der ein höheres Einkommen als 115 % des Richtsatzes hat, grundsätzlich die Tragung der erfahrungsgemäß mit der betreffenden Krankheit oder dem Gebrechen verbundenen besonderen Aufwendungen zuzüglich der Rezeptgebühr zumutbar ist. § 5 RRZ 2008 ermöglicht wiederum, im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen auch dann eine Befreiung zu gewähren, wenn nach den §§ 3 und 4 RRZ 2008 ein Fall der Selbsttragung der Rezeptgebühr vorliegt. Neben krankheitsbedingten Aufwendungen sind dabei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten zu berücksichtigen. Es ist dabei zu prüfen, ob das Einkommen durch krankheitsbedingte Aufwendungen (worunter auch Rezeptgebühren fallen) und etwaige andere Belastungen derart verringert wird, dass wiederum die soziale Schutzwürdigkeit von Richtsatzbeziehern erreicht würde.

 

Bei der Prüfung der "besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit" sind aber Ausgaben der allgemeinen Lebensführung, etwa für Miete, Gas und Strom sowie Bekleidung, aber auch Kosten für ein Fahrzeug (jedenfalls im Allgemeinen) nicht zu berücksichtigen.

 

Unstrittig beträgt das Einkommen des Bf samt dem gem § 4 Abs 5 RRZ 2008 zu berücksichtigenden Einkommen seiner Ehefrau (im Kalenderjahr 2008) monatlich EUR 1.789,57. Der für das Jahr 2008 zu berücksichtigende Grenzbetrag gem § 4 Abs 1 Z 3 RRZ 2008 beträgt EUR 1.288,--. Selbst dann, wenn sämtliche vom Bf in seinem Einspruch als "Mehrbelastungen wegen diverser Krankheiten" angeführten Beträge (einschließlich der Mehrkosten für einen Pkw; insgesamt EUR 482,94 monatlich) berücksichtigt und vom Familieneinkommen abgezogen würden, verbliebe noch ein Betrag (EUR 1.306,63), welcher sowohl den Grenzwert nach § 4 Abs 1 Z 3 RRZ 2008 als auch den Richtsatz übersteigt. Auch unter Berücksichtigung aller dieser Ausgaben wäre also nicht davon auszugehen, dass eine Situation vorläge, die der nach allgemeinen Kriterien umschriebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit iSd §§ 3 und 4 RRZ 2008 vergleichbar wäre.