18.07.2012 Verfahrensrecht

VwGH: Ermittlungsverfahren – Einholung einer Stellungnahme per E-Mail

Die Behörde darf sich nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen


Schlagworte: Ermittlungsverfahren, Beweismittel, formlose Befragung, Einholung einer Stellungnahme per E-Mail, Zeugen
Gesetze:

§§ 37 ff AVG, §§ 48 ff AVG

GZ 2010/08/0034, 06.06.2012

 

Die Bf hat im Verwaltungsverfahren und in ihrer Beschwerde nicht die Zumutbarkeit des Dienstverhältnisses bestritten, sondern - zusammengefasst - vorgebracht, dass ihre Betreuerin in der regionalen Geschäftsstelle des AMS ihr mitgeteilt habe, sie brauche das - iZm einer Kursmaßnahme angebotene - Dienstverhältnis nicht einzugehen, wobei nach dem Vorbringen der Bf wechselseitige Verweise zwischen regionaler Geschäftsstelle des AMS und dem Träger der Kursmaßnahme (der zugleich potentieller Dienstgeber war) erfolgten.

 

VwGH: Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die von der Bf behauptete Auskunft ihrer Betreuerin dahin verstanden werden konnte, dass im konkreten Fall das an die Kursmaßnahme anschließende und mit der Kursmaßnahme zumindest aus der Sicht der Bf in einem engen Zusammenhang stehende befristete Dienstverhältnis als Transitarbeitskraft ohne Folgen auf den Leistungsbezug abgelehnt werden könne, sodass die Bf kein Verschulden am Nichtzustandekommen des Dienstverhältnisses treffen würde.

 

Anders als in der Beschwerde behauptet, hat sich die belangte Behörde zwar mit den Angaben der Bf im Verwaltungsverfahren auseinandergesetzt und dazu Feststellungen getroffen. Dabei wurde das Vorbringen der Bf, "das AMS hätte wegen einer mit diesem vereinbarten Ausbildung durch seine Organwalterin ausdrücklich der Nichtannahme des Dienstverhältnisses zugestimmt," als nicht glaubwürdig beurteilt, dies ua aufgrund der Stellungnahme von Frau K.

 

Nach der Rsp des VwGH darf sich die Behörde nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen. Wo aber wie hier insoweit widersprechende Beweisergebnisse vorliegen, als der Aussage der Partei nur die Gegendarstellung der Betreuerin gegenübersteht und die Bf ihre Darstellung auch während des gesamten Verfahrens nicht geändert hat, in Fällen also, in denen der Glaubwürdigkeit von Personen für die Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit solchen Befragungen zu begnügen. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, gem § 48 ff AVG förmlich als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen. Dasselbe hat auch für die im Beschwerdefall erfolgte Einholung einer Stellungnahme per E-Mail zu gelten.

 

Im Hinblick auf das widerstreitende Vorbringen, dem nicht von vornherein die Relevanz für das Ergebnis des Verfahrens abgesprochen werden kann, wäre die belangte Behörde daher verpflichtet gewesen, dem ausdrücklichen Antrag der Bf auf Vernehmung der AMS-Mitarbeiterin K. als Zeugin zur von der Bf behaupteten Vereinbarung zu folgen.