01.08.2012 Arbeitsrecht

VwGH: Zu den Voraussetzungen für eine Suspendierung gem § 112 BDG (iZm "Mobbing" und "sexueller Belästigung")

Gerade bei Tatbeständen wie "Mobbing" und "sexuelle Belästigung" handelt es sich vielfach nicht um abgeschlossene Einzeltaten, sondern um die Wiederholung von im Einzelnen nicht als Dienstpflichtverletzung zu wertenden Worten oder Taten, die erst in der Summe mehrfacher Einzeläußerungen und - handlungen einen Verstoß gegen § 43a BDG und § 8 iVm § 9-B-GlBG ergeben; in einem derartigen Fall ist zwar die Bestimmbarkeit des Zeitpunktes der letzten Tathandlung notwendig, nicht aber die Anführung jeder einzelnen Tathandlung für sich


Schlagworte: Disziplinarrecht, Dienstpflichten, Suspendierung, Mobbing, sexuelle Belästigung, Tathandlung
Gesetze:

§§ 91 ff BDG, § 43a BDG, § 8 B-GlBG, § 9 B-GlBG

GZ 2011/09/0197, 26.06.2012

 

VwGH: Es muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, dh in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. Zu Recht bringt der Bf vor, dass die Behörde aber nicht davon entbunden wäre, die (jeweiligen) Zeitpunkte oder Zeiträume der Begehung der im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzungen (jedenfalls, solange sie abgeschlossene Tathandlungen betreffen), insbesondere im Hinblick auf allfällige Verjährung, in der Begründung des angefochtenen Bescheides anzuführen.

 

Entgegen dem Vorbringen des Bf sind aber derartige Zeiträume in der Begründung enthalten. Frau GÜ schildert zwei konkrete Vorfälle aus dem "Oktober 2010" und dem "Dezember 2010", Frau MA bezieht sich auf ein Ereignis "vor etwa zweieinhalb Monaten" (vor ihrer Aussage vom 7. Juni 2011), weitere Verhaltensweisen werden als weiterhin bestehend geschildert, sodass sie keine abgeschlossene Tathandlungen betreffen. Auch durch die Bezugnahme auf konkrete Aktenvorgänge ist ein Zeitrahmen rekonstruierbar.

 

Die Behörden haben durch Bezugnahme auf die als glaubwürdig erachteten Aussagen jedenfalls diese Tatzeiträume zu Grunde gelegt.

 

Gerade bei Tatbeständen wie den gegenständlichen "Mobbing" und "sexuelle Belästigung" handelt es sich vielfach nicht um abgeschlossene Einzeltaten, sondern um die Wiederholung von im Einzelnen nicht als Dienstpflichtverletzung zu wertenden Worten oder Taten, die erst in der Summe mehrfacher Einzeläußerungen und - handlungen einen Verstoß gegen § 43a BDG und § 8 iVm § 9 B-GlBG ergeben. In einem derartigen Fall ist zwar die Bestimmbarkeit des Zeitpunktes der letzten Tathandlung notwendig, nicht aber die Anführung jeder einzelnen Tathandlung für sich.

 

Dass "Mobbing" iSd § 43a BDG und "sexuelle Belästigung" von mehreren (hier: rangniederen, weiblichen) Bediensteten geeignet ist, das Betriebsklima derart schwer zu belasten, indem ein Klima der Angst und Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die die menschliche Würde verletzen, sodass es notwendig wird, den Täter aus dieser Dienststelle zu entfernen, wird vom Bf grundsätzlich nicht in Abrede gestellt.

 

Der Bf sieht keine "Gefährdung des Betriebsklimas", weil Frau HI bereits in Pension sei, Frau GÜ nicht in der Abteilung des Bf sei, und "wenn sie ihre Kontakte mit Frau MA … auf ein gesundes Maß zurückschraubt mit der erwartbaren Konsequenz, dass dadurch die Leistungen der Frau MA eine Verbesserung erfahren, wird ein Kontakt nur zufällig - wenn überhaupt - erfolgen. Damit übersieht der Bf, dass es im gegenständlichen Fall nicht um sein Verhalten gegenüber einzelnen (weiblichen) Bediensteten geht, sondern um das von mehreren Zeuginnen geschilderte Verhalten des Bf gegenüber weiblichen Bediensteten allgemein. Gerade die dargestellte Forderung des Bf an GÜ und die - von ihm als entlastend hervorgehobene - auf Grund der Konfliktsituation des Bf mit Frau MA von der Dienststellenleiterin vorgenommene Zwischenschaltung eines anderen Bediensteten zur Verringerung der direkten Kontakte zwischen Bf und MA zeigen die Belastung des Betriebsklimas auf.

 

In der Frage der Verhältnismäßigkeit ist die belangte Behörde im Recht, als durchaus im Fall der Belassung des Bf an seiner Dienststelle mit dem jederzeitigen Wiederaufleben der Spannungen sowie einer neuerlichen Verschlechterung des Betriebsklimas zu rechnen wäre, weshalb den Mitarbeiterinnen die Zusammenarbeit mit dem Bf bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht zumutbar sei. Hiebei handelt es sich um eine aus dem Verhalten des Bf in der Vergangenheit und dessen Weiterwirken auf davon betroffene Dienstnehmerinnen abgeleitete Prognoseentscheidung. Einer solchen wohnt naturgemäß eine gewisse Unsicherheit inne; sie kann - anders als Feststellungen über vergangene Ereignisse - nicht objektiv bewiesen werden. Der Plausibilität der diesbezüglichen Annahmen der belangten Behörde ist jedenfalls nicht entgegenzutreten.