11.09.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Nachtarbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz iSd Art VII Abs 2 Z 7 NSchG (iZm computergebundener Telefonanlage)

Nach der Rsp des VwGH liegen in quantitativer Hinsicht erschwerende Arbeitsbedingungen iSd NSchG noch nicht vor, wenn ununterbrochen zumindest ein Viertel oder durchschnittlich mehr als ein Drittel der regelmäßig achtstündigen Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit verbracht wird (vgl § 1 Abs 4 BS-V), weil ab einem solchen Ausmaß zwar schon arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, die zeitliche Belastung aber noch nicht als "bestimmend" für die Gesamttätigkeit angesehen werden kann


Schlagworte: Nachtschwerarbeitsrecht, Nachtarbeit an Bildschirmarbeitsplatz, computergebundene Telefonanlage
Gesetze:

Art 7 NSchG, BS-V, § 67 ASchG, § 68 ASchG

GZ 2011/11/0196, 24.07.2013

 

VwGH: Art VII Abs 2 Z 7 NSchG fordert für die Annahme von Nachtschwerarbeit zunächst (Nacht)Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird von keiner der Verfahrensparteien bestritten.

 

Weiters muss die "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" (somit in qualitativer Hinsicht) und die "Arbeitszeit an diesem Gerät" (also in quantitativer Hinsicht) für die gesamte Tätigkeit bestimmend sein. Das NSchG umschreibt zwar das Wesen eines Bildschirmarbeitsplatzes, lässt aber den Inhalt des Begriffes der Bildschirmarbeit offen. Allerdings enthalten die §§ 67 f des ASchG, die ähnliche Zielsetzungen wie das NSchG im Auge haben, solche Begriffsbestimmungen.

 

In § 1 Abs 2 der auf Grund der §§ 67 und 68 ASchG erlassenen Bildschirmarbeitsverordnung (BS-V) wird Bildschirmarbeit als Ausführung von Tätigkeiten wie Datenerfassung, Datentransfer, Dialogverkehr, Textverarbeitung, Bildbearbeitung oder CAD/CAM-Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen iSd § 67 Abs 1 zweiter Satz ASchG unter Verwendung von Bildschirmgeräten iSd § 67 Abs 1 ASchG definiert.

 

Die Bf bringt vor, dass besonders bei "Urgenzen" ersichtlich werde, dass das gesamte Telefonsystem über den Bildschirm zu bedienen gewesen sei, da auch die Sprachverbindung in diesem Fall mittels Icons auf dem Bildschirm erfolgt sei. Auch das elektronische Verlustbuch erscheine ebenfalls wie das Blinken im Falle eines Notrufes nur auf dem Bildschirm. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie das Gespräch über die Bildschirmarbeit überwiege, da es ständig notwendig gewesen sei, konzentriert auf den Bildschirm zu sehen. Die Trennung in Telefonie und Bildschirmarbeit sei bei einer computergebundenen Telefonanlage nicht möglich, diese Ansicht widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung.

 

Nach der Rsp des VwGH liegen in quantitativer Hinsicht erschwerende Arbeitsbedingungen iSd NSchG noch nicht vor, wenn ununterbrochen zumindest ein Viertel oder durchschnittlich mehr als ein Drittel der regelmäßig achtstündigen Tagesarbeitszeit mit Bildschirmarbeit verbracht wird (vgl § 1 Abs 4 BS-V), weil ab einem solchen Ausmaß zwar schon arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, die zeitliche Belastung aber noch nicht als "bestimmend" für die Gesamttätigkeit angesehen werden kann.

 

Im Beschwerdefall überstiege die zeitliche Beanspruchung durch Bildschirmarbeit dieses Maß grundsätzlich dann nicht, wenn, wie von der belBeh angenommen, von acht Stunden durchschnittlich 1,6 Stunden für Bildschirmarbeit, verteilt über die gesamte Arbeitszeit, aufgewendet würden.

 

Die Beurteilung, ob Nachtschwerarbeit vorliegt, setzt im Einzelfall allerdings detaillierte Feststellungen voraus, aus denen sich die zu beurteilende Tätigkeit sowohl quantitativ als auch qualitativ einschätzen lässt.

 

Bei einem Arbeitsplatz wie dem der Bf wäre es geboten gewesen, auch die Frequenz der einlangenden Anrufe festzustellen. Das hat die belBeh unterlassen, obwohl sowohl das Berufungsvorbringen der mitbeteiligten Partei als auch die von ihr vorgelegten Unterlagen Hinweise darauf bieten, dass die Bf im Durchschnitt ca 65 Anrufe pro Stunde (bei Spitzenwerten von über 80 Anrufen pro Stunde) zu bearbeiten hatte, was darauf hinausläuft, dass im Durchschnitt mehr als ein Anruf pro Minute (mit einer Dauer von durchschnittlich ca 20 Sekunden) zu bewältigen war. Sollte dies zutreffen, so könnte angesichts des Umstands, dass auch nach den Feststellungen der belBeh typischerweise bei jedem einlangenden Anruf auch auf der Tastatur eine Bildschirmeingabe von im Durchschnitt mehreren Sekunden zu erfolgen hatte, nicht mehr ohne weiteres davon gesprochen werden, dass die Arbeitszeit am Bildschirm, welche offensichtlich während des Telefonkontakts mit dem Kunden zu erfolgen hat, für die Tätigkeit nicht bestimmend ist, weil wegen der hohen Anrufsdichte ein "Herausrechnen" einer Nettobildschirmarbeitszeit zu einer Verzerrung des Gesamtbilds der zu beurteilenden Tätigkeit führen würde.