26.01.2015 Wirtschaftsrecht

VwGH: BVergG 2006 und verschuldensunabhängige Pönale - Ausscheiden eines Angebotes nach § 129 Abs 1 Z 7 BVergG 2006 wegen beigefügtem Vermerk, dass Verzögerungen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen, nicht pönalewirksam sind?

Die Beifügung, Verzögerungen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen, seien nicht pönalewirksam, führt nicht zu einer Einschränkung der verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe im Falle objektiven Schuldnerverzugs


Schlagworte: Vergaberecht, Konventionalstrafe, Sphäre des Auftraggebers, Vermerk, Ausscheiden, Widerspruch
Gesetze:

 

§ 1336 ABGB, § 108 BVergG 2006, § 129 BVergG 2006

 

GZ 2012/04/0066, 27.10.2014

 

VwGH: Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen.

 

Ein Widerspruch liegt vor, wenn der Bieter in seinem Angebot erklärt, den zu vergebenden Vertrag nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung, sondern zu anderen Bedingungen abschließen zu wollen. Dabei kommt es immer auf den objektiven Erklärungswert des Angebotes an und nicht darauf, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen will.

 

Gem § 1336 Abs 1 erster Satz ABGB können die vertragsschließenden Teile eine besondere Übereinkunft treffen, dass auf den Fall des zu spät erfüllten Versprechens anstatt des zu vergütenden Nachteils ein bestimmter Geldbetrag entrichtet werden solle. Die Vertragsstrafe ist eine Vorauspauschalierung künftig möglichen Schadens und dient dazu, die meist schwierigen Schadensfeststellungen zu vermeiden und vertragsbestärkend zu wirken. Sie ist von der Höhe des wirklich eingetretenen Schadens unabhängig, gebührt also an sich auch dann, wenn kein Schaden eingetreten ist. Ist die Erfüllung durch Zufall unmöglich geworden (§§ 911, 1311 und 1447 ABGB), so verfällt die Vertragsstrafe nicht; regelmäßig ist die Pflicht zu ihrer Entrichtung eine abhängige Verbindlichkeit, die erlischt, wenn die Hauptverbindlichkeit wegen Unmöglichkeit der Leistung wegfällt. Umso weniger verfällt der Vergütungsbetrag, wenn der Versprechende wegen einer Leistungsstörung durch den anderen Vertragspartner nicht erfüllen kann. Wurde eine Konventionalstrafe nicht ausdrücklich auch für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbart, ist sie nur bei Verschulden zu zahlen. Wird eine Vertragsstrafe ohne Rücksicht auf das Verschulden an einer Vertragsverletzung festgelegt, so wird sie doch nicht geschuldet, wenn der Gläubiger die Erfüllung verhindert. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es nämlich, aus dem eigenen vertragswidrigen Verhalten Rechte ableiten zu wollen.

 

Wendet man diese Grundsätze fallbezogen auf die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb an, so ergibt sich aus der Klausel betreffend das erforderliche Angebot der Zahlung einer verschuldensunabhängigen Pönale durch den Vertragspartner (= Auftragnehmer) für den Fall der verspäteten Leistungserbringung laut den Punkten 4.1.5. und 4.2.5.1., dass sich dieser - um den Bedingungen des Aufrufs zum Wettbewerb zu entsprechen - für den Fall einer Verzögerung zur Zahlung der Pönale zu verpflichten hat, ohne sich in solchem Fall durch den Einwand des mangelnden Verschuldens von seiner Zahlungspflicht befreien zu können. Dass sich ein Bieter über den Fall des objektiven Verzugs hinaus zur Zahlung der Pönale auch für den Fall zu verpflichten habe, dass die Verzögerung der Leistungserbringung auf ein Verhalten des Auftraggebers - etwa auf eine Verletzung seiner eigenen oder seiner Sphäre zuzuordnender Mitwirkungspflichten - zurückzuführen sei, ist den Bestimmungen des Aufrufs zum Wettbewerb ausgehend von dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert, der sich hier an den dargestellten Grundsätzen des Privatrechts zu orientieren hat, nicht zu unterstellen.

 

Dieses Ergebnis unterstützt Punkt 9.8. der dem Aufruf zum Wettbewerb zugrunde liegenden Rahmenvereinbarung, der für den Fall der mangelnden Mitwirkung der - in diesem Vertragsverhältnis - der Auftraggeberin zuzurechnenden Gebietskörperschaft eine bestimmte Vorgehensweise - namentlich die Information durch den Auftragnehmer und allenfalls Namhaftmachung einer anderen Gebietskörperschaft durch die Auftraggeberin - vorsieht. Dass bei gänzlich in der Hand der Auftraggeberin liegender nachträglicher Namhaftmachung einer anderen zu beratenden Gebietskörperschaft die damit einhergehende Leistungsverzögerung nicht gleichzeitig auch pönalewirksam sein kann, liegt auf der Hand.

 

Die von der belBeh als Begründung für das Vorliegen eines Ausscheidensgrundes herangezogene Beifügung der Bf, Verzögerungen, die in der Sphäre des Auftraggebers liegen, seien nicht pönalewirksam, führt nicht zu einer Einschränkung der verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe im Falle objektiven Schuldnerverzugs. Aufgrund der dargestellten Auslegung der Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb folgt vielmehr, dass die von der Bf dem Angebotsformblatt beigefügte Klausel, der Bedeutung der Pönalebestimmung in einer dem objektiven Erklärungswert der Bestimmungen im Aufruf zum Wettbewerb betreffend die Forderung einer verschuldensunabhängigen Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe im Falle der Leistungsverzögerung nicht widerspricht.

 

Zudem ist wie sich aus dem Erkenntnis 21. März 2011, 2007/04/0007, ergibt, vor dem Hintergrund des § 108 Abs 2 BVergG 2006 die Annahme, ein Bieter wolle ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen, nur dann gerechtfertigt, wenn er dies - klar - zum Ausdruck bringt. Das ist hier aufgrund der mit den Ausschreibungsbestimmungen in Einklang zu bringenden Formulierung der Pönalebestimmung im Angebot der Bf nicht der Fall.

 

Die Beschwerde wendet sich aus diesen Gründen zurecht gegen die Beurteilung, das Angebot der Bf sei wegen Beisetzung der Klausel zur Pönalebestimmung ausschreibungswidrig gewesen. Die belBeh ist daher zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die Bf sei aus diesem Grund bereits nicht legitimiert, den gegenständlichen Nachprüfungsantrag zu stellen.