25.12.2016 Wirtschaftsrecht

VwGH: Ermittlung des objektiven Erklärungswertes einer Ausschreibung – Hinzuziehung eines Sachverständigen?

Lässt sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln, so kann auch für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein


Schlagworte: Vergaberecht, Ermittlung des objektiven Erklärungswertes einer Ausschreibung, Hinzuziehung eines Sachverständigen / Amtssachverständigen
Gesetze:

 

§ 78 BVergG 2006, § 79 BVergG 2006, § 17 VwGVG, § 52 AVG, § 53 AVG

 

GZ Ra 2016/04/0063, 12.09.2016

 

VwGH: Der VwGH hat im Erkenntnis 2010/04/0066 die Beiziehung eines Sachverständigen für die Auslegung der Ausschreibung nicht generell für erforderlich erachtet, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen (wenn sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln lasse). Dass die Auslegung sämtlicher hier fraglichen Ausschreibungsbestimmungen besondere Fachkenntnisse erforderte, wird von der Revisionswerberin nicht dargelegt.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen der Revisionswerberin ist zwar anzuerkennen, dass das Verständnis der an einem Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter über eine Ausschreibungsbestimmung für die Ermittlung des objektiven Erklärungswertes dieser Bestimmung von Bedeutung ist. Das führt fallbezogen aber zu keinem anderen Ergebnis, weil das VwG im vorliegenden Fall in Kenntnis dieses Verständnisses das von ihm erzielte, davon abweichende Auslegungsergebnis in nachvollziehbarer Weise begründet hat.

 

Die Revisionswerberin wirft dem VwG vor, es habe die Bestandskraft der Ausschreibung negiert und sei somit von der dazu ergangenen Rsp des VwGH abgewichen. Dieser Vorhalt basiert allerdings auf der von ihr vertretenen Auslegung der betreffenden Ausschreibungsbestimmungen. Ausgehend von der - davon abweichenden und nicht als unvertretbar anzusehenden - Auslegung durch das VwG ist ein Widerspruch zur Ausschreibung nicht ersichtlich. Der Sache nach geht es daher nicht um das Abgehen von einer bestandfesten Ausschreibung, sondern um deren Auslegung und somit darum, was bestandfest geworden ist.