03.04.2017 Verkehrsrecht

VwGH: Führerscheinrechtliche Konsequenzen einer Überschreitung einer auf dem IG-L basierenden Geschwindigkeitsbeschränkung

Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dem in § 7 Abs 3 Z 4 FSG genannten Ausmaß (wurden sie mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt) haben auch dann zwingend zu einer Entziehung der Lenkberechtigung nach § 26 Abs 3 FSG zu führen, wenn Basis der festgelegten Geschwindigkeitsbeschränkung eine Verordnung nach dem IG-L war


Schlagworte: Führerscheinrecht, Immissionsschutzrecht, Entziehung der Lenkberechtigung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Geschwindigkeitsbeschränkung
Gesetze:

 

§ 7 FSG, § 26 FSG, § 30 IG-L, § 20 StVO, § 43 StVO

 

GZ Ra 2017/11/0002, 28.02.2017

 

VwGH: Eine - nach § 26 Abs 3 FSG zwingend mit einer Entziehung der Lenkberechtigung für zwei Wochen verbundene - Übertretung nach § 7 Abs 3 Z 4 FSG liegt dann vor, wenn die "jeweils zulässige" Höchstgeschwindigkeit in dem in dieser Bestimmung genannten Ausmaß, also um mehr als 40 km/h im Ortsgebiet bzw um mehr als 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets, überschritten wurde, sofern die Überschreitung mit einem "technischen Hilfsmittel" festgestellt wurde. Diese Bestimmung differenziert also danach, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet oder außerhalb desselben begangen wurde, stellt aber nicht darauf ab, ob es sich bei der "jeweils zulässigen" Höchstgeschwindigkeit um jene handelt, die an der betreffenden Stelle im Regelfall (§ 20 Abs 2 StVO) eingehalten werden darf, also 50 km/h im Ortsgebiet, 130 km/h auf Autobahnen und 100 km/h auf den übrigen Freilandstraßen, oder ob von der Behörde eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlassen oder eine höhere Höchstgeschwindigkeit erlaubt wurde. Auch der Rechtsgrund einer allfälligen Geschwindigkeitsbeschränkung ist nach Wortlaut und Systematik von § 7 Abs 3 Z 4 iVm § 26 Abs 3 FSG nicht relevant; festzuhalten ist im gegebenen Zusammenhang, dass nach der StVO allfällige Beschränkungen der "sonst" (vgl § 20 Abs 2 StVO) zulässigen Geschwindigkeiten nicht bloß aus Gründen der Verkehrssicherheit zulässig sind, sondern auch aus anderen wichtigen Gründen, etwa der Hintanhaltung von Belästigungen durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe (vgl §§ 20 Abs 2a und 43 Abs 2 StVO).

 

Für eine - der Sache nach vom Revisionswerber ins Spiel gebrachte - teleologische Reduktion des § 7 Abs 3 Z 4 FSG auf jene Fälle von Geschwindigkeitsbeschränkungen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit festgesetzt wurden, gibt es keine überzeugende Begründung.

 

Der Revision ist zwar insofern beizupflichten, dass die "Generalklausel" des § 7 Abs 1 Z 1 FSG darauf abstellt, ob jemand - insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr - die Verkehrssicherheit gefährden wird. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist aber ein Geschwindigkeitsunterschied von mehr als 50 km/h zwischen jenen Straßenverkehrsteilnehmern, die sich an die zulässige Höchstgeschwindigkeit (unabhängig von deren Rechtsgrund) halten und jenen, die diese überschreiten, regelmäßig geeignet, gefährliche Verhältnisse zu begründen, etwa weil bei einem Fahrstreifenwechsel ein mit weit überhöhter Geschwindigkeit herannahendes Fahrzeug nicht rechtzeitig wahrgenommen werden kann. In der Überschreitung der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit (außerhalb des Ortsgebiets) um mehr als 50 km/h manifestiert sich damit eine Sinnesart, die eine Gefährdung der Verkehrssicherheit erwarten lässt (vgl § 7 Abs 1 Z 1 FSG). Schon deshalb ist für die von der Revision gewünschte teleologische Reduktion kein Platz.

 

Im Übrigen spricht auch die Beachtung des historischen Zusammenhangs des Gesetzes gegen die vom Revisionswerber vertretene Auslegung:

 

Das FSG (mit der schon in der Stammfassung enthaltenen, nun in Rede stehenden Regelung der §§ 7 Abs 3 Z 4 iVm § 26 Abs 3 (in der Stammfassung noch Abs 4)) trat mit BGBl I Nr 120/1997 - soweit hier von Bedeutung - mit 1. November 1997 in Kraft, also etwa einen Monat nach Kundmachung des IG-L mit BGBl I Nr 115/1997. Selbst wenn man berücksichtigt, dass mit den Bestimmungen nach § 7 Abs 3 Z 4 bzw § 26 Abs 3 FSG bloß die entsprechenden Regelungen nach dem KFG (§ 66 Abs 2 lit i bzw § 73 Abs 3 zweiter Satz) fortgeschrieben wurden, ist doch zu beachten, dass mit der FSG-Novelle BGBl I Nr 117/2010 eine deutliche Verschärfung erfolgt ist: § 26 Abs 3 Z 2 und Z 3 FSG ermöglichen seither bei massiven Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit deutlich längere Entziehungszeiten als die zwei Wochen nach Z 1. Jedenfalls im Zeitpunkt dieser Novelle konnte dem Gesetzgeber des FSG die Möglichkeit ausgedehnter Geschwindigkeitsbeschränkungen nach dem IG-L nicht unbekannt geblieben sein. Wenn dessen ungeachtet der Wortlaut des § 7 Abs 3 Z 4 FSG unverändert blieb und nach wie vor auf die "jeweils zulässige" Höchstgeschwindigkeit - ohne weitere Differenzierung nach deren Rechtsgrund - abgestellt wird, ist dies ein deutliches Indiz dagegen, dass der Gesetzgeber - unausgesprochen, vielmehr gegen den Wortlaut des § 7 Abs 3 Z 4 FSG - Überschreitungen von nach dem IG-L verfügten Geschwindigkeitsbeschränkungen anders behandelt wissen wollte.