02.06.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Trifft den Absender (hier: der Berufung) die Beweislast für das Einlangen des aufgegebenen Schriftstückes lediglich bei nicht bescheinigten Briefsendungen?

Der Nachweis der eingeschriebenen Absendung der Berufung bewirkt noch nicht den prima facie-Beweis ihres Einlangens bei der zuständigen Behörde; das Einlangen der Berufung hat der Bw erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen


Schlagworte: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten, Anbringen, Berufung, eingeschriebene Absendung, Beweislast für das Einlangen
Gesetze:

§ 13 Abs 1 AVG, § 45 Abs 2 AVG

GZ 2010/12/0060, 26.01.2011

 

Der Bf vertritt Auffassung, die Beweislast für das Einlangen des aufgegebenen Schriftstückes treffe den Absender lediglich bei nicht bescheinigten Briefsendungen.

 

VwGH: Es entspricht stRsp des VwGH, dass die Beförderung einer - nicht eingeschrieben versendeten - Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolgt. Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft diesen. Dafür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht. Wenn auch gem § 33 Abs 3 AVG die Tage des Postenlaufes in die Fristen des Verfahrens nicht eingerechnet werden, bedeutet dies nicht etwa, dass für die Einhaltung der Frist allein die Aufgabe des Schriftstückes zur Post maßgebend ist. Auch hier ist stets die Einbringung (das Einlangen) bei der zuständigen Behörde maßgebend. Die Beförderung durch die Post erfolgt auf Gefahr des Absenders.

 

Der OGH fasste in seinem Beschluss vom 30. Juni 2010, 3 Ob 69/10h, seine bisherige Rsp zur Frage der Beweislast betreffend den Zugang eingeschriebener Sendungen wie folgt zusammen:

 

"Unter Hinweis auf deutsche LuRsp sprach der OGH zu 7 Ob 24/09v - unter Abkehr von bisheriger Rsp - aus, dass es sich verbiete, den Nachweis der Aufgabe eines Schreibens (im Anlassfall: Qualifiziertes Mahnschreiben gem § 39 VersVG) bei Einschreiben 'auf erste Sicht' als für den Nachweis des Zugangs an den Versicherungsnehmer ausreichend anzusehen.

 

Nach allgemeinen Grundsätzen hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen. Eine Verschiebung der Beweislast kommt nur dann in Betracht, wenn ein allgemein, also für jedermann auf gleiche Weise bestehender Beweisnotstand vorliegt und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehensabläufe für den Anspruchswerber sprechen. Auch wenn man davon ausgeht, dass nach allgemein gültigen Erfahrungssätzen eingeschrieben aufgegebene Briefsendungen typischerweise auch zugestellt werden, kann - jedenfalls solange eine Möglichkeit besteht, die Zustellung der Briefsendung durch das 'TuT-System' oder mittels Rückscheinzustellung zu beweisen - von einem Beweisnotstand iSd Rsp zum prima facie-Beweis nicht gesprochen werden.

 

Nach dem derzeit noch in Geltung stehenden § 2 Z 9 PostG 1997 können 'Einschreiben' (entgeltpflichtige Sonderbehandlung einer Postsendung, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender, gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und ihre Aushändigung an den Empfänger erteilt wird) iVm den von der Österreichischen Post AG erlassenen 'AGB Briefdienst Inland' durch Inanspruchnahme der weiteren entgeltpflichtigen Zusatzleistung 'TuT für Einschreiben' vom Absender anhand der Aufgabenummer hinsichtlich ihres Sendestatus verfolgt werden. Überdies kann der Absender die weitere entgeltpflichtige Zusatzleistung 'Eigenhändig' oder 'Rückschein' wählen. Dadurch wird der Absender in die Lage versetzt, eine Bestätigung über die Abgabe der Sendung vorzuweisen. Es spricht nichts dagegen, einen Absender, der sich einer Übersendungsart bedient, die es ihm ermöglicht, sich per Nachforschungsauftrag ein objektives Beweismittel für den Zugang seiner Erklärung zu verschaffen, nicht auch zu verpflichten, diese Möglichkeit zu nutzen.

 

Für den Anlassfall muss daher davon ausgegangen werden, dass allein die Tatsache der eingeschriebenen Aufgabe des Kündigungsschreibens noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Beklagten bewirkt. ..."

 

Der VwGH schließt sich dieser Auffassung an. Demnach bewirkt der Nachweis der eingeschriebenen Absendung der Berufung noch nicht den prima facie-Beweis ihres Einlangens bei der erstinstanzlichen Dienstbehörde. Es wäre daher Angelegenheit des Bf gewesen, das Einlangen der Berufung beim Finanzamt Innsbruck unter Beweis zu stellen.