16.06.2011 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Solidarhaftung juristischer Personen gem § 9 Abs 7 VStG - ist die Haftung der juristischen Person im Straferkenntnis - im Spruch – auszusprechen?

Der VwGH hält seine im Erkenntnis vom 14. April 2010, 2009/08/0149, vertretene Rechtsmeinung, es bedürfe keines Ausspruches der in § 9 Abs 7 VStG angeführten Haftung der juristischen Person in dem ihren Vertreter betreffenden Straferkenntnis, nicht mehr aufrecht


Schlagworte: Besondere Fälle der Verantwortlichkeit, Solidarhaftung juristischer Personen, Vertreter, Straferkenntnis, Spruch
Gesetze:

§ 9 Abs 7 VStG

GZ 2009/08/0039, 24.11.2010

 

VwGH: Der erkennende Senat des VwGH hält seine Rechtsmeinung, es bedürfe keines Ausspruches der Haftung im Straferkenntnis (Erkenntnis vom 14. April 2010, 2009/08/0149), nicht mehr aufrecht.

 

Im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 21. November 2000, 99/09/0002, VwSlg 15527/A, war zwar ausgesprochen worden, dass es eines eigenen Haftungsbescheides in einem besonderen Verfahren nicht bedürfe; daraus kann aber nach nunmehriger Auffassung des Senats nicht abgeleitet werden, dass ein Haftungsausspruch überhaupt entbehrlich ist. So wurde in jenem Erkenntnis auch bemängelt, dass nicht bereits in dem das Strafverfahren abschließenden Bescheid über die Haftung der bf Gesellschaft abgesprochen worden sei. Die Entscheidung des verstärkten Senates wurde wesentlich auf die dort zitierte Lehrmeinung gestützt (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 780); an der zitierten Stelle wird aber auch die Meinung vertreten, dass die Haftung im Straferkenntnis auszusprechen sei. Verwiesen wurde weiters auf vergleichbare Lösungen im MedienG und im FinStrG. Nach § 35 Abs 1 MedienG war die Haftung des Medieninhabers zur ungeteilten Hand mit dem Verurteilten im Strafurteil auszusprechen. Gem § 41 Abs 7 MedienG bilden die Entscheidungen über die Einziehung, die Urteilsveröffentlichung und die Haftung Teile des Ausspruches über die Strafe. Gem § 138 Abs 2 FinStrG hat der Spruch des Straferkenntnisses die allfällige Feststellung, dass eine Haftungspflicht für die verhängte Geldstrafe und den auferlegten Wertersatz gem § 28 FinStrG gegeben ist, und die Nennung der Haftungsbeteiligten zu enthalten.

 

Das Erkenntnis vom 14. April 2010 wurde ua auf die Erkenntnisse vom 21. Oktober 1994 (94/11/0261) und vom 28. Juli 1999 (97/09/0335) gestützt. Diese Erkenntnisse waren auch im Erkenntnis des verstärkten Senates angeführt worden: Das Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, in welchem ausgesprochen worden sei, zur Konkretisierung der Haftung nach § 9 Abs 7 VStG im Einzelfall bedürfe es keines gesonderten bescheidmäßigen Abspruches, sie trete vielmehr als gesetzliche Folge einer auf § 9 VStG gestützten Bestrafung ein, sei nach Auffassung des verstärkten Senats vereinzelt geblieben. Das Erkenntnis vom 28. Juli 1999, "welches ... der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben soll(e)", habe zur Haftung nur klargestellt, dass ihr Eintritt in jedem Fall einen rechtskräftigen Strafausspruch voraussetze.

 

Ausgehend von diesen Darlegungen im Erkenntnis des verstärkten Senates, kann aus diesem nicht abgeleitet werden, dass ein Haftungsausspruch im Straferkenntnis für eine Haftung der juristischen Person gem § 9 Abs 7 VStG entbehrlich sei. In Übereinstimmung mit der Rsp des VfGH ist vielmehr davon auszugehen, dass dann, wenn - wie hier - das Straferkenntnis keinen Haftungsausspruch (im Spruch des Straferkenntnisses) enthält, die juristische Person in ihren Rechten nicht verletzt sein kann. Enthält das erstinstanzliche Straferkenntnis keinen Haftungsausspruch, und kann daher für den Fall der Rechtskraft auch nicht gegen die bf Partei vollstreckt werden, so ist diese auch nicht zur Erhebung einer Berufung legitimiert.

 

Auch die Aufnahme eines Hinweises auf § 9 Abs 7 VStG in die Zustellverfügung oder die Zustellung der Strafbescheide an die Gesellschaft kann eine normative Feststellung der Haftung nach § 9 Abs 7 VStG nicht ersetzen.