16.06.2011 Sozialrecht

VwGH: Ruhen eines Betriebes iSd § 4 Abs 1 Z 1 GSVG (iZm Entschädigungsleistung einer Betriebsunterbrechungsversicherung)

Das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes ist noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind; die Ansicht der Behörde, dass eine "Einkommensersatzleistung als Unterbrechung des Ruhens anzusehen" sei bzw dass "die als Einkommensersatz gewährte Versicherungsleistung, die überdies im Einkommensteuerbescheid des betreffenden Jahres als gewerbliches Einkommen deklariert wurde, als aktives Betreiben des Gewerbes gewertet wird und das angezeigte Ruhen unterbricht", trifft nicht zu


Schlagworte: Gewerbliches Sozialversicherungsrecht, Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Ausnahmen von der Pflichtversicherung, Ruhen eines Betriebes, Unterbrechung, Entschädigungsleistung einer Betriebsunterbrechungsversicherung
Gesetze:

§ 4 Abs 1 Z 1 GSVG, § 2 Abs 1 GSVG

GZ 2010/08/0145, 24.11.2010

 

Zu der von ihm bekämpften Feststellung der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG für den Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis zum 30. November 2003 bringt der Bf vor, sein Hotel "P" sei im Dezember 2002 abgebrannt. Er habe daher - mit Ausnahme von Aufräumungsarbeiten - keine betriebliche Tätigkeit ausüben können. Der das Hotel betreffende Gewinn stamme ausschließlich aus einer Vergütung durch eine Betriebsunterbrechungsversicherung für den Zeitraum von Jänner 2003 bis November 2003. Die sich aus dem Hotelbetrieb ergebende Versicherungspflicht gem § 2 Abs 1 Z 1 GSVG sei für die Zeit des Ruhens sistiert. Nach Ansicht des Bf liege daher weder eine Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gem § 2 Abs 1 Z 1 GSVG noch eine solche nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG vor.

 

VwGH: Nach der Rsp des VwGH setzt der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 1 Z 1 GSVG nicht nur die Anzeige des Ruhens, sondern auch das tatsächliche Ruhen des Betriebes voraus. Soweit Einkünfte aus einer Tätigkeit des Unternehmens stammen, die im Rahmen der - wenn auch ruhend gestellten - Gewerbeberechtigung ausgeübt werden, wäre ungeachtet der Ruhendmeldung Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG gegeben. Im Falle unbefugter Gewerbeausübung oder bei Ausübung einer Tätigkeit, die keine Wirtschaftskammerzugehörigkeit begründet, besteht die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG.

 

Was das Ruhen eines Betriebes iSd § 4 Abs 1 Z 1 GSVG betrifft, so ist auch hier an den Betriebsbegriff iS einkommensteuerrechtlicher Regelungen anzuknüpfen. Als Betrieb ist die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit zu verstehen. Der Betrieb wird mit der Herstellung der entsprechenden Strukturen begründet und besteht beim Versicherten so lange, bis die wesentlichen Grundlagen dieser Struktur entweder entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden oder diese Strukturen zerschlagen werden. Das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes ist noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind.

 

In seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, 2003/08/0126, hat der VwGH zur Unterbrechung einer betrieblichen Tätigkeit (dh einer zeitlich befristeten Beendigung der betrieblichen Tätigkeit aus besonderen Gründen und damit einer Unterbrechung auch der Versicherungspflicht) iZm § 2 Abs 1 Z 4 GSVG Folgendes ausgeführt:

 

"a) Es ist bei einer Tätigkeit, für welche keine Berufsbefugnis benötigt wird und die ihrer Natur nach - auch wenn sie fortlaufend ausgeübt wird - nur fallweise (zB in Form von Vorträgen oder Veröffentlichungen) nach außen erkennbar zutage tritt, zu beachten, dass allein deshalb während der (auch der Vorbereitung dienenden) Zeiträume zwischen den Vorträgen oder Veröffentlichungen noch keine Unterbrechung der Tätigkeit anzunehmen ist. Ist eine auch nach außen sichtbar zutage tretende Unterbrechung der Tätigkeit auf Grund von deren Eigenart nicht hinreichend objektivierbar, lässt sich also die Periode der Ausübung einer solchen Tätigkeit von jener ihrer Unterbrechung nicht mit der erforderlichen Trennschärfe unterscheiden, dann ist die Überschreitung der Versicherungsgrenze durch die Höhe der im jeweiligen Kalenderjahr erzielten Einkünfte für die Versicherungspflicht maßgebend, die im Zweifel im gesamten Kalenderjahr besteht.

 

b) Was die Frage der Betriebsmittel betrifft, vor deren Veräußerung (bzw der "Zerschlagung des Betriebes") nach Ansicht der mitbeteiligten Partei und der Einspruchsbehörde die Versicherungspflicht nicht endet, ist durchaus einzuräumen, dass das fortdauernde Vorhandensein einer betrieblichen Infrastruktur nach der Lage eines Einzelfalles gegen eine Beendigung des Betriebes sprechen kann. Dabei handelt es sich aber um ein Indiz, das nicht losgelöst von allen anderen Umständen der jeweiligen Tätigkeit verabsolutiert werden darf, das va aber voraussetzt, dass tatsächlich eine nennenswerte betriebliche Infrastruktur vorliegt, die eine derartige Aussagekraft hinsichtlich der "wahren Absichten" des Betriebsinhabers hat. Aber auch in einem solchen Fall setzt die Annahme einer Betriebsunterbrechung (dh einer zeitlich befristeten Beendigung der betrieblichen Tätigkeit aus besonderen Gründen und damit einer Unterbrechung auch der Versicherungspflicht) nicht voraus, dass der Betriebsinhaber und Versicherte eine Berufsbefugnis besitzt, die ruhend gestellt werden kann. Ein für das unveränderte Fortbestehen der betrieblichen Tätigkeit sprechender Umstand wären jedoch das Weiterbestehen offener, nicht zurückgelegter oder weitergegebener Aufträge.

 

Wenn aber eine (beabsichtigte) Unterbrechung (und keine endgültige Beendigung) der Tätigkeit aus einem besonderen Grund glaubwürdig - dh ungeachtet des Überschreitens der Versicherungsgrenze nach dem Ergebnis der steuerlichen Veranlagung für das fragliche Kalenderjahr - nachgewiesen wird, dann ist es auch ohne Vorliegen einer Berufsbefugnis nach der insoweit eindeutigen, sich aus den §§ 6 Abs 4 und 7 Abs 4 GSVG ergebenden Rechtslage nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Pflichtversicherung vorerst beendet wird und erst nach einiger Zeit wieder beginnt."

 

In einem das angezeigte Ruhen der Gewerbeberechtigung "Gastgewerbe in der Betriebsart Fremdenheim" betreffenden Fall hat der VwGH zur Frage, in welchem Ausmaß eine betriebliche Tätigkeit vermindert werden muss, um deren Unterbrechung annehmen zu können, ausgesprochen, dass der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 1 Z 1 GSVG nicht erfüllt ist, wenn während des gemeldeten Ruhens der Gewerbeberechtigung tatsächlich Zimmer vermietet worden sind, und zwar auch dann, wenn während der Ruhenszeiträume höchstens 10 Betten vermietet worden sind, sodass aus gewerberechtlicher Sicht lediglich eine Privatzimmervermietung iSd Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG vorgelegen ist.

 

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde unbestritten festgestellt, dass "tatsächlich kein Hotelbetrieb stattgefunden" hat, dh dass der Bf in diesem Zeitraum keine Umsatzgeschäfte iS seiner Gewerbeberechtigung vorgenommen hat. Daraus ergibt sich, dass - anders als in dem mit Erkenntnis 2005/08/0091 entschiedenen Fall - die in Rede stehenden Einkünfte aus der Betriebsunterbrechungsversicherung zwar steuerlich solche aus Gewerbebetrieb sind, jedoch nicht mit einer gleichzeitig ausgeübten - mehr oder weniger stark eingeschränkten - selbständigen Erwerbstätigkeit einhergingen, die im Rahmen der wenn auch ruhend gestellten Gewerbeberechtigung ausgeübt worden wäre. Es kann daher dahinstehen, inwieweit Vorbereitungshandlungen oder ein nach außen in Erscheinung tretendes Anbieten von gewerblichen Leistungen allenfalls hätten dem Hotelbetrieb zugeordnet werden können, zumal ebenfalls unbestritten ist, dass der Bf auch nach Wiedereröffnung des Hotels dieses nicht mehr selbst betrieben, sondern an seinen Sohn, der eine eigene Gewerbeberechtigung besitzt, verpachtet hat. In Anbetracht der unbestrittenen und bisher nicht widerrufenen Ruhendmeldung des Gewerbebetriebes des Bf iSd § 4 Abs 1 Z 1 GSVG ist sohin das Vorliegen einer Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Z 1 GSVG dann auszuschließen, wenn der Bf keine Tätigkeit entfaltet, die sich als Ausübungshandlung des ruhenden Gewerbes darstellt.

 

Die Ansicht der belangten Behörde, dass eine "Einkommensersatzleistung als Unterbrechung des Ruhens anzusehen" sei bzw dass "die als Einkommensersatz gewährte Versicherungsleistung, die überdies im Einkommensteuerbescheid des betreffenden Jahres als gewerbliches Einkommen deklariert wurde, als aktives Betreiben des Gewerbes gewertet wird und das angezeigte Ruhen unterbricht", steht mit der angeführten Rechtslage und der dazu ergangenen Rsp des VwGH nicht im Einklang.