29.06.2011 Verfahrensrecht

VwGH: Streitgenossenzuschlag gem § 19a GGG auch bei formeller Streitgenossenschaft?

Die von § 19a GGG gebrauchte Wendung "gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen" ist bei richtigem Verständnis der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht so auszulegen, dass davon nur materielle Streitgenossenschaften erfasst wären, sondern auch formelle Streitgenossenschaften erfasst sind


Schlagworte: Gerichtsgebühren, Streitgenossenzuschlag, formelle / materielle Streitgenossenschaft
Gesetze:

§ 19a GGG, § 11 ZPO

GZ 2010/16/0304, 05.04.2011

 

VwGH: Gem § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

 

Mehrere in einem zivilgerichtlichen Verfahren von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemachte Ansprüche sind nach § 15 Abs 2 GGG zusammenzurechnen; die Summe der geltend gemachten Ansprüche bildet, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren.

 

Die ErläutRV zum Strukturanpassungsgesetz, BGBl Nr 201/1996, führen zu § 19a GGG aus, diese Bestimmungen seien § 15 RATG nachgebildet; sie nähmen darauf Bedacht, dass Verfahren, die Ansprüche zum Gegenstand hätten, die mehr als zwei Personen beträfen, einen höheren Aufwand erforderten.

 

Nach stRsp des VwGH knüpft die Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache - und damit sichere - Handhabung des GGG (auch durch den Kostenbeamten) zu gewährleisten.

 

Da bekanntermaßen die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Arten der Streitgenossenschaft (formelle oder materielle bzw einfache oder einheitliche) nicht immer einfach ist (vgl die §§ 11 bis 15 ZPO und die zahlreiche dazu vorliegende LuRsp), hieße es, den mit der Vollziehung des GGG betrauten Kostenbeamten zu überfordern, wenn er gehalten wäre, in Anwendung des § 19a GGG eine Unterscheidung dahin zu treffen, ob im jeweiligen Fall eine materielle oder eine formelle Streitgenossenschaft vorliegt. Unter das erklärte Ziel der Novelle durch das Strukturanpassungsgesetz, in Verfahren, die mehr als zwei Prozessparteien betreffen, den damit verbundenen erhöhten Verfahrensaufwand durch einen Streitgenossenzuschlag auszugleichen, fällt somit auch ein Verfahren, in dem auf einer Seite bloß formelle Streitgenossen auftreten. Auch ihr Vorhandensein erzeugt (insbesondere unter Berücksichtigung des vermehrten Zustellaufwandes bzw der durch mehrere Parteien zwangsläufig bewirkten längeren Verfahrensdauer) jenen Mehraufwand, den die Novelle durch die Einführung des Zuschlages auffangen wollte. Die von § 19a GGG gebrauchte Wendung "gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen" ist daher bei richtigem Verständnis der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht so auszulegen, dass davon nur materielle Streitgenossenschaften erfasst wären, sondern auch formelle Streitgenossenschaften erfasst sind.