29.06.2011 Steuerrecht

VwGH: § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG iVm § 22 BAO – Übertragung des gesamten Geschäftsanteiles unter Belassung eines Zwerganteiles, der jedoch treuhändig für den Erwerber gehalten wird

Die Übertragung beinahe des gesamten Geschäftsanteiles vom Vater auf den Bf, die Belassung eines "Zwerganteiles" an der Gesellschaft beim Vater, der diesen aber treuhändig für den Sohn hält, und das im "Abtretungs- und Treuhandvertrag" enthaltene Anbot, auf Grund dessen der Bf (oder dessen Rechtsnachfolger) jederzeit den Anspruch auf Abtretung des beim Vater verbliebenen "Zwerganteiles" ausüben kann, konnte die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum als ungewöhnlich und unangemessen (§ 22 BAO) betrachten


Schlagworte: Grunderwerbsteuer, Geschäftsanteil, Zwerganteil, Treuhand, Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes
Gesetze:

§ 1 Abs 3 Z 1 GrEStG, § 22 BAO, §§ 1002 ff ABGB

GZ 2010/16/0168, 05.04.2011

 

VwGH: Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer gem § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen iSd § 2 Abs 2 UStG (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden würden.

 

In seinem Erkenntnis vom 14. Juni 1984, 82/16/0069, hat der VwGH mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass die in § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1955 in der auf den damaligen Beschwerdefall anzuwendenden Fassung - die in das GrEStG 1987 insoweit unverändert übernommen worden ist - enthaltenen Worte "in der Hand" strikt auszulegen sind: "In der Hand des Erwerbers" befinden sich die Anteile nur dann, wenn er selbst Eigentum an diesen Anteilen erworben hat, nicht aber bereits dann, wenn er auf Grund welcher Rechtsbeziehungen auch immer auf diese Anteile "greifen", dh allenfalls deren Übertragung an ihn fordern könnte. Der Gerichtshof lehnte somit die Steuerpflicht einer "wirtschaftlichen" Anteilsvereinigung ab und verwies dabei auch auf zahlreiche Vorerkenntnisse, wonach erst durch die (rechtliche) Anteilsübertragung die Anteilsvereinigung iSd § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG 1987 stattfinde. Der VwGH hat (auch) dem Umstand einer von Anfang an bestehenden wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Treugebers über den Gesellschaftsanteil kein rechtliches Gewicht beigemessen.

 

Wesensmerkmal der Treuhandschaft ist es, dass der Treuhänder eigene Rechte ausübt; er handelt im eigenen Namen und für fremde Rechnung. Bei der fiduziarischen Treuhand ist der Treuhänder nach außen hin unbeschränkter Eigentümer (Vollberechtigter), im Innenverhältnis hingegen dem Treugeber obligatorisch verpflichtet, sein Eigentumsrecht (Vollrecht) im Interesse des Treugebers auszuüben.

 

Daraus folgt, dass auch ein Treuhänder als vollberechtigter Eigentümer der Anteile ein solcher Erwerber sein kann, in dessen Händen die Anteile vereinigt werden. Erwirbt jemand als Treuhänder Gesellschaftsanteile und vereinigt er dadurch alle Anteile in seinen Händen, so wird der Erwerb des Treuhänders selbst gem § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig. Ebenso ist der an die äußere zivil- und formalrechtliche Gestaltung anknüpfende Tatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG erfüllt, wenn ein Treuhänder die restlichen Anteile der Gesellschaft rechtsgeschäftlich erwirbt.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall sah die belangte Behörde nicht allein den Tatbestand des § 1 Abs 3 Z 1 GrEStG erfüllt, sondern setzte im Instanzenzug die Grunderwerbsteuer "unter Beachtung der Bestimmung des § 22 Abs 2 BAO nach der dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg (Übergabe sämtlicher Geschäftsanteile in das Eigentum des Sohnes) angemessenen rechtlichen Gestaltung" fest. Fraglich ist daher, ob der Tatbestand des § 22 Abs 1 BAO erfüllt ist.

 

Nach § 22 Abs 1 BAO kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes die Abgabenpflicht nicht umgangen oder gemindert werden.

 

Liegt ein Missbrauch (Abs 1) vor, so sind nach Abs 2 leg cit die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

 

Unter Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes iSd § 22 Abs 1 BAO versteht der VwGH in stRsp eine solche rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet. Es ist demnach zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den Abgaben sparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat als Steuerminderung einfach unverständlich wäre.

 

Die unstrittige Übertragung beinahe des gesamten Geschäftsanteiles vom Vater auf den Bf, die Belassung eines "Zwerganteiles" an der Gesellschaft beim Vater, der diesen aber treuhändig für den Sohn hält, und das in Punkt 2., des "Abtretungs- und Treuhandvertrages" enthaltene Anbot, auf Grund dessen der Bf (oder dessen Rechtsnachfolger) jederzeit den Anspruch auf Abtretung des beim Vater verbliebenen "Zwerganteiles" ausüben kann, konnte die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum als ungewöhnlich und unangemessen iSd stRsp betrachten.