06.07.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Nachprüfungsauftrag hinsichtlich Ausscheidung des Angebots gem § 129 BVergG 2006

Bei der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag darf die Vergabekontrollbehörde Ausscheidensgründe, die nicht bereits Gegenstand einer Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers waren, nur dann berücksichtigen, wenn dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren Gelegenheit geboten wurde, die Stichhaltigkeit dieser Ausscheidensgründe anzuzweifeln


Schlagworte: Vergaberecht, Ausscheiden von Angeboten, Nachprüfungsverfahren, Vergabekontrollbehörde, Ausscheidensgründe
Gesetze:

§ 129 BVergG 2006, § 320 BVergG 2006

GZ 2007/04/0012, 12.05.2011

 

Die Auftraggeberin hat ihre Entscheidung, das Angebot der Bf auszuscheiden, einerseits mit der Ausschreibungswidrigkeit dieses Angebotes in konkret bezeichneten Punkten und andererseits mit der Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit dieses Angebotes begründet.

 

Demgegenüber hat die belangte Behörde die Ausscheidung deshalb als rechtmäßig angesehen, weil das Angebot der Bf aus anderen als von der Auftraggeberin genannten Gründen ausschreibungswidrig sei.

 

VwGH: Das Vorliegen von Ausscheidungsgründen, konkret jener des § 129 Abs 1 Z 7 BVergG 2006, war im Vergabekontrollverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Ausscheidensentscheidung als Hauptfrage und im Vergabekontrollverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung als Vorfrage zu behandeln.

 

Was die Beurteilung der genannten Vorfrage betrifft, so ist es stRsp des VwGH, dass die Vergabekontrollbehörde auch befugt ist, auf solche Gründe für das Ausscheiden eines Angebotes Bedacht zu nehmen, die vom Auftraggeber nicht herangezogen wurden. Bei hinreichend konkreten Einwänden einer Verfahrenspartei ist die Vergabekontrollbehörde sogar verpflichtet, diese eingewendeten Gründe dahin zu prüfen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre, wobei sie bei dieser Prüfung nur die aus den Akten des Vergabeverfahrens ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen hat und in einem solchen Fall nicht etwa ein Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Vorliegens eines Ausscheidungsgrundes einholen muss.

 

Bei der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag darf die Vergabekontrollbehörde aber Ausscheidensgründe, die nicht bereits Gegenstand einer Ausscheidensentscheidung des Auftraggebers waren, nur dann berücksichtigen, wenn dem Antragsteller im Nachprüfungsverfahren Gelegenheit geboten wurde, die Stichhaltigkeit dieser Ausscheidensgründe anzuzweifeln. Dazu hat die Behörde dem Antragsteller vorzuhalten, welchen Sachverhalt sie als Ausscheidensgrund heranzuziehen beabsichtige.

 

Auch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer vom Auftraggeber bekannt gegebenen Ausscheidung kann die Vergabekontrollbehörde - unter den genannten Voraussetzungen - Ausscheidensgründe, die der Auftraggeber der Ausscheidung nicht zu Grunde gelegt hat, berücksichtigen. Dies ergibt sich schon aus § 325 Abs 1 Z 2 BVergG 2006, wonach eine gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers (nur dann) für nichtig zu erklären ist, wenn (ua) die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist. Letzteres wäre nicht der Fall, wenn die Ausscheidung zumindest im Ergebnis (also aus anderen als vom Auftraggeber herangezogenen Gründen) rechtmäßig ist. Auch in einem solchen Fall hat die belangte Behörde aber die oben genannten Grundsätze, nicht zuletzt die Wahrung des Parteiengehörs, zu beachten.

 

Einem Bieter wird nur dann ausreichende Gelegenheit zukommen, die Stichhaltigkeit eines Verstoßes gegen die Vergabevorschriften anzuzweifeln, wenn ihm dafür ab dem Vorhalt dieses Verstoßes eine ausreichende Frist (für die als Maßstab die Antragsfrist des § 321 BVergG 2006 heranzuziehen ist) zur Verfügung steht.

 

Ob ein Angebot iSd § 129 Abs 1 Z 7 BVergG 2006 ausschreibungswidrig ist, bestimmt sich aus einem Vergleich des Angebotes mit der Ausschreibung und nicht, wie die belangte Behörde offenbar meint, aus dem Vergleich eines vom Bieter vorgelegten Warenmusters mit jener Ware, die er "zu liefern gedachte".