13.07.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Ausscheiden von Angeboten – behebbarer / unbehebbarer Mangel iSd § 129 Abs 1 Z 7 BVergG 2006

Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln ist darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde; im Hinblick auf vorzulegende Nachweise ist zu unterscheiden, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der nachzuweisende Umstand (etwa die Leistungsfähigkeit als solche) fehlt (in diesem Fall liegt ein unbehebbarer Mangel vor) oder ob es bloß am Nachweis des im maßgeblichen Zeitpunkt an sich bereits bestehenden Umstandes mangelt (in diesem Fall handelt es sich um einen behebbaren Mangel)


Schlagworte: Vergaberecht, Ausscheiden von Angeboten, behebbarer / unbehebbarer Mangel, (inhaltliche) nachträgliche Änderung des Angebotes
Gesetze:

§ 129 BVergG 2006, § 126 BVergG 2006

GZ 2008/04/0087, 12.05.2011

 

VwGH: Gem § 129 Abs 1 Z 7 BVergG 2006 hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung ua fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszuscheiden.

 

Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder werden Mängel festgestellt, so ist gem § 126 Abs 1 BVergG 2006, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche schriftliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter erteilten schriftlichen Auskünfte bzw die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

 

Nach stRsp des VwGH sind solche Mängel als unbehebbar zu qualifizieren, deren Behebung nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung des Bieters führen kann. Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln ist darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde.

 

Im Hinblick auf vorzulegende Nachweise ist nach der Rsp des VwGH zu unterscheiden, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der nachzuweisende Umstand (etwa die Leistungsfähigkeit als solche) fehlt (in diesem Fall liegt ein unbehebbarer Mangel vor) oder ob es bloß am Nachweis des im maßgeblichen Zeitpunkt an sich bereits bestehenden Umstandes mangelt (in diesem Fall handelt es sich um einen behebbaren Mangel).

 

Insoweit die Beschwerde sich auf das Urteil des EuGH vom 25. April 1996 in der Rechtssache C-87/94, Kommission gegen Königreich Belgien ("Wallonische Omnibusse"), beruft, trifft zu, dass der EuGH in diesem Urteil betont, dass das Verfahren zum Vergleich der Angebote in jedem Abschnitt sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren muss, damit alle Bieter bei der Aufstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Berücksichtigt der Auftraggeber eine Änderung der ursprünglichen Angebote eines einzelnen Bieters, so werde dieser - so der EuGH weiter - gegenüber seinen Konkurrenten begünstigt, was den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verletze und der Transparenz des Verfahrens abträglich sei. Der EuGH hält in diesem Urteil weiters unter Hinweis auf seine Rsp im Urteil Storebaelt fest, dass, wenn ein Auftraggeber in den Auftragsunterlagen Festlegungen getroffen hat, es der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verlangt, dass alle Angebote diesen Festlegungen entsprechen, damit ein objektiver Vergleich der Angebote gewährleistet ist. Jedoch ist diesem Urteil weiters zu entnehmen, dass der EuGH von einer Änderung der ursprünglichen Angebote nur dann ausgeht, wenn der Bieter ausgehend vom Ablauf der Frist für die Einreichung der Angebote (es handelte sich dort um ein offenes Verfahren) sein ursprüngliches Angebot (nachträglich) ändert (vgl Randnr 58; im dortigen Fall hat der Bieter sein ursprüngliches Angebot nachträglich "berichtigt", weil er neue Tests nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Angebote durchgeführt hatte).

 

Die Rsp des VwGH geht davon aus, dass eine Behebung eines Mangels dann nicht zulässig ist, wenn durch die Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters (nachträglich) gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Im hg Erkenntnis vom 25. März 2010, 2005/04/0144, präzisierte der VwGH diese Rsp dahingehend, dass ein Mangel, welcher eine inhaltliche Änderung des Angebotes hinsichtlich eines Bereiches, der für die Bewertung der Angebote relevant ist, bedeute, unbehebbar wäre. Ein nach der Rsp des VwGH behebbarer Mangel stellt daher iSd oa Rsp des EuGH keine (materielle) nachträgliche Änderung des Angebotes dar, vielmehr bleibt dieses materiell (seinem Inhalt nach) unverändert.

 

Im Beschwerdefall hat die Zuschlagsempfängerin lediglich einen Nachweis nachgereicht, der im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist bereits vorgelegen ist und hat daher ihr Angebot inhaltlich nicht nachträglich geändert, sondern lediglich einen Bestandteil des Angebotes, der ursprünglich nicht vorgelegt wurde, nachgereicht. Aus diesem Grund kann nach Auffassung des VwGH nicht von einer inhaltlichen nachträglichen Änderung des Angebotes gesprochen werden, welche die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessern würde und sohin - iSd obzitierten Rsp des EuGH - die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz verletzen würde. Daran ändert auch nichts, dass der nachgereichte Prüfbericht - welcher eben zum Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist bereits vorgelegen ist - der Auftraggeberin eine Beurteilung im Hinblick auf die Zuschlagskriterien ermöglicht hat.