20.07.2011 Sozialrecht

VwGH: Unverzügliche Anzeige einer Beschäftigungsaufnahme iSd § 50 Abs 1 AlVG

Eine Meldung innerhalb von drei Tagen ist seit Mai 1996 (im Allgemeinen) nicht mehr als rechtzeitig anzusehen; "unverzüglich" ist iSv "ohne schuldhaftes Zögern" bzw "ohne unnötigen Aufschub" zu verstehen


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, Beschäftigungsaufnahme, unverzügliche Anzeige
Gesetze:

§ 50 AlVG, § 25 AlVG, § 12 Abs 3 AlVG

GZ 2008/08/0141, 27.04.2011

 

VwGH: Wird ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozialversicherungsträgern oder Exekutivorgane bei einer Tätigkeit gem § 12 Abs 3 lit a, b oder d AlVG betreten, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50 AlVG), so gilt die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) ist für zumindest vier Wochen rückzufordern. Erfolgte in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des AMS ein Sonderbeitrag in der doppelten Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteiles zur Arbeitslosenversicherung für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben (§ 25 Abs 2 AlVG).

 

Gem § 50 Abs 1 AlVG ist der Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gem § 12 Abs 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

 

Der Bf wendet ein, die belangte Behörde habe es in Verkennung der Rechtslage unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und festzustellen sowie die notwendigen Beweise aufzunehmen. Die belangte Behörde wäre dazu verpflichtet gewesen, festzustellen, inwiefern eine frühere Meldung gem § 50 Abs 1 AlVG für den Bf überhaupt möglich gewesen wäre; hiezu hätte die belangte Behörde die Öffnungszeiten bzw die Erreichbarkeit der regionalen Geschäftsstelle des AMS erheben müssen.

 

Zutreffend ist, dass die belangte Behörde - anders als im zu 2008/08/0142 angefochtenen Bescheid: dort wurden (wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) Feststellungen zu den "Öffnungszeiten des Arbeitsmarktservice" getroffen (werktags ab 8 Uhr) - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ab welcher Uhrzeit eine Meldung an die regionale Geschäftsstelle des AMS möglich gewesen wäre. Die belangte Behörde hat aber ausgeführt, es wäre dem Bf möglich gewesen, in den Morgenstunden des 12. Februar 2008 entsprechend den Öffnungszeiten des AMS ("Serviceline") die entsprechende Beschäftigungsaufnahme rechtzeitig zu erstatten; dies sei dem Berufungsvorbringen zu entnehmen, wonach der Bw erst um 8.15 Uhr auf der Baustelle in A eingetroffen sei. Damit wurde aber von der belangten Behörde angenommen, dass eine Erreichbarkeit der "Serviceline" des AMS vor 8.15 Uhr gegeben sei. Dass diese Sachverhaltsannahme der belangten Behörde unrichtig sei, wird von der Beschwerde nicht aufgezeigt.

 

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde geltend, bei der Beurteilung der "Unverzüglichkeit" sei darauf abzustellen, dass § 50 bzw § 25 Abs 2 AlVG an den meldepflichtigen Arbeitslosengeldbezieher jedenfalls geringere Anforderungen stelle, als § 33 Abs 1 ASVG an den Dienstgeber. Die letztgenannte Bestimmung verpflichte Dienstgeber, von ihm beschäftigte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Formulierung, wonach die Aufnahme einer Tätigkeit unverzüglich anzuzeigen sei, lasse jedenfalls einen größeren zeitlichen Spielraum zur Erstattung der Meldung. Die Meldung des Bf sei als unverzüglich anzusehen.

 

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde § 50 Abs 1 AlVG dahin geändert, dass die Aufnahme einer Tätigkeit gem § 12 Abs 3 AlVG unverzüglich anzuzeigen ist. § 25 Abs 2 AlVG wurde dahin abgeändert, dass dann, wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld bei einer Tätigkeit gem § 12 Abs 3 lit a, b, d oder g betreten wird, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat, die unwiderlegliche Rechtsvermutung gilt, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist.

 

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde dazu angeführt, die Sanktion der Aberkennung des Arbeitslosengeldes bzw der Notstandshilfe solle von vier Wochen auf acht Wochen verdoppelt werden, um Missbräuche, die dadurch entstehen, dass ein Arbeitsloser neben dem Bezug von Arbeitslosengeld unangemeldet beschäftigt sei, hintanzuhalten. Zugleich werde die unwiderlegliche Rechtsvermutung aufgestellt, dass jede nicht zeitgerecht gemeldete unselbständige oder selbständige Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze übersteige. Als zusätzliche Sanktion werde dabei für den Arbeitnehmer eine Rückforderung der Leistung für zumindest zwei Wochen festgelegt.

 

Wenn diese Erläuterungen auch keine Ausführungen zum - hier neu eingeführten - Begriff der "Unverzüglichkeit" beinhalten, so ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass mit dieser Änderung, da sie Missbräuche (stärker als bisher) bekämpfen sollte, auch die Anforderungen an die Frist, innerhalb der die Aufnahme einer Beschäftigung gemeldet werden sollte, gesteigert wurden. Eine Meldung innerhalb von drei Tagen ist demnach seit Mai 1996 (im Allgemeinen) nicht mehr als rechtzeitig anzusehen.

 

"Unverzüglich" ist sohin hier - wie auch sonst - iSv "ohne schuldhaftes Zögern" bzw "ohne unnötigen Aufschub" zu verstehen.

 

Der Bf behauptete in der Berufung, er habe die Arbeit um 8.15 Uhr aufgenommen. Im Hinblick auf die - zumindest implizit getroffene - Feststellung der belangten Behörde ist davon auszugehen, dass eine Meldung der Beschäftigungsaufnahme an die regionale Geschäftsstelle des AMS (aus dem Blickwinkel von deren Erreichbarkeit betrachtet) zu dieser Uhrzeit - allenfalls telefonisch - möglich gewesen wäre.

 

Der Zeitraum, innerhalb dessen im hier vorliegenden Fall - bis zur Betretung durch Organe der KIAB um 9.05 Uhr - eine Verständigung der regionalen Geschäftsstelle (aus dem Blickwinkel von deren Erreichbarkeit betrachtet) möglich gewesen wäre, ist aber so kurz bemessen, dass aus der Dauer dieses Zeitraumes allein noch nicht darauf geschlossen werden kann, dass der Bf das Gebot der Meldung ohne schuldhaften Verzug verletzt hätte. In einem solchen Fall bedarf es vielmehr auch Feststellungen darüber, ob dem Bf, der sich in diesem Zeitraum unbestrittenermaßen bereits bei der Arbeitsverrichtung auf einer Baustelle befunden hat, auch nach seinen Umständen die Meldung in diesem Zeitraum möglich und zumutbar gewesen wäre.