03.08.2011 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Zustellung des Ladungsbescheids und anschließende telefonische Festsetzung eines neuen Verhandlungstermins – mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten?

Da der Eintritt der Rechtsfolge des § 41 Abs 3 VStG auch voraussetzt, dass die Ladung dem Beschuldigten zu eigenen Handen zugestellt worden ist, erweist sich eine telefonische Ladung mangels Zustellnachweises jedenfalls als unzulässig


Schlagworte: Verhandlung in Abwesenheit der Partei, ordnungsgemäße Ladung, Ladungsbescheid, anschließende telefonische Festsetzung eines neuen Verhandlungstermins, Ladungsverzicht
Gesetze:

§ 41 VStG, § 19 AVG, § 51f VStG

GZ 2008/02/0088, 29.06.2011

 

Der Bf bringt vor, dass er bei der Verhandlungsleiterin der belangten Behörde um eine Vertagung der für den 13. September 2007 anberaumten mündlichen Verhandlung ersucht habe, weil er sich zu dieser Zeit auf seine Rechtsanwaltsprüfung vorbereitet habe. Telefonisch sei als Verhandlungstermin der 29. November 2007 vereinbart worden, weil seiner Ansicht nach zu diesem Zeitpunkt die mündliche Anwaltsprüfung jedenfalls vorbei gewesen wäre. Er habe sich den 29. November 2007 als Verhandlungstermin notiert und im Rahmen des Telefongesprächs auf eine neuerliche Ladung verzichtet. Offensichtlich irrtümlich habe die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung auf den 22. November 2007 (also exakt eine Woche vor dem vereinbarten Termin) angesetzt und den Bf darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Wie auch durch einen Aktenvermerk dokumentiert, sei der Bf am 29. November 2007 zur vereinbarten Uhrzeit bei dem vereinbarten Verhandlungssaal erschienen. Nachdem dort die Rechtssache nicht aufgerufen worden sei, habe sich der Bf in der Geschäftsabteilung erkundigt, wo ihm mitgeteilt worden sei, dass die Verhandlung bereits am 22. November 2007 stattgefunden habe.

 

Die Durchführung einer Verhandlung sei nach § 51f Abs 2 VStG zwar auch zulässig, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen sei, im Beschwerdefall sei jedoch für den 22. November 2007 keine ordnungsmäße Ladung iSd der §§ 41 ff VStG erfolgt. Hätte die belangte Behörde eine ordnungsgemäße Ladung verschickt, hätte der Bf (nachdem Anfang Oktober festgestanden sei, dass seine mündliche Rechtsanwaltsprüfung am 22. November 2007 stattfinden werde) mit Sicherheit eine abermalige Verschiebung angeregt; er habe dies aber unterlassen, weil er in dem Wissen gelassen worden sei, dass die Verhandlung am 29. November 2007 stattfinden werde.

 

VwGH: Gem § 41 Abs 1 VStG ist in der Ladung (§ 19 AVG) des Beschuldigten die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, kurz und deutlich zu bezeichnen.

 

Der Beschuldigte ist in der Ladung aufzufordern, die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel mitzubringen oder der Behörde so rechtzeitig anzuzeigen, dass sie zur Vernehmung noch herbeigeschafft werden können (Abs 2).

 

Die Ladung kann auch die Androhung enthalten, dass das Strafverfahren, wenn der Beschuldigte der Ladung keine Folge leistet, ohne seine Anhörung durchgeführt werden kann. Diese Rechtsfolge kann nur eintreten, wenn sie in der Ladung angedroht und wenn die Ladung dem Beschuldigten zu eigenen Handen zugestellt worden ist (Abs 3).

 

Gem § 19 Abs 2 AVG ist in der Ladung außer Ort und Zeit der Amtshandlung ua auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet.

 

Da § 51f Abs 2 VStG ausdrücklich auf die ordnungsgemäße Ladung abstellt, ist die Verhandlung in Abwesenheit der betreffenden Partei nur zulässig, wenn die Ladung fehlerfrei erfolgt ist; dh jeder Mangel der Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei.

 

Im vorliegenden Fall erfolgte die Ladung des Bf zur Verhandlung vom 13. September 2007 durch die belangte Behörde zunächst in Form eines Ladungsbescheides, der dem Bf am 7. August 2007 zu eigenen Handen zugestellt wurde. Über seinen Antrag wurde diese Verhandlung im Zuge eines Telefongespräches zwischen der Verhandlungsleiterin und dem Bf verlegt, wobei die belangte Behörde von einem Verhandlungstermin 22. November 2007, der Bf von einem Verhandlungstermin 29. November 2007 ausging und wegen des abgegebenen Ladungsverzichts zur öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht mehr gesondert geladen wurde.

 

Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom 15. Oktober 1999, 95/03/0232, dass bei Erklärung eines Ladungsverzichts eine neue, schriftliche Ladung nicht zugestellt werden müsse und in einem solchen Fall eine ordnungsgemäße Ladung vorliege, sodass bei unentschuldigtem Fernbleiben des Beschuldigten die Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden könne. Die belangte Behörde übersieht dabei jedoch, dass dem zitierten Erkenntnis vom 15. Oktober 1999 ein dem Beschwerdefall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, weil im Zuge einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei welcher sowohl der Bf als auch dessen Vertreter persönlich anwesend waren, die Verhandlung auf einen neuen Termin vertagt wurde, und dies die anwesenden Parteien unter Ladungsverzicht zur Kenntnis nahmen. Sowohl der Bf als auch sein Vertreter haben die diesbezügliche Verhandlungsschrift unterschrieben. Im Hinblick darauf bestand daher im dortigen Beschwerdefall für eine nicht rechtmäßige Ladung des Bf zur (vertagten) Verhandlung kein Anhaltspunkt, sodass die Verkündung des Bescheides auch in Abwesenheit des Bf erfolgen konnte.

 

Der VwGH hat bereits in seinem Erkenntnis vom 10. März 1964, Slg Nr 6265/A ausgeführt, es müsse nachträglich überprüfbar sein, ob die Ladung die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben des § 41 Abs 1 und 2 VStG enthalten habe; diese Möglichkeit bestehe aber in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nur im Falle der schriftlichen Ladung, die bloß telefonische Ladung entspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften.

 

Da der Eintritt der Rechtsfolge des § 41 Abs 3 VStG aber auch voraussetzt, dass die Ladung dem Beschuldigten zu eigenen Handen zugestellt worden ist, erweist sich eine telefonische Ladung des Bf mangels Zustellnachweises jedenfalls als unzulässig.

 

Im Beschwerdefall kann daher von einer "ordnungsgemäßen Ladung" zur Verhandlung vom 22. November 2007 über die dem Bf mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht gesprochen werden, sodass die Durchführung der Verhandlung in seiner Abwesenheit (§ 51f Abs 2 VStG) unzulässig war.

 

Dieser Verfahrensmangel, der für den Bf den Verlust seiner in der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Verteidigungsrechte bewirkte bzw seine Mitwirkung an der Sachaufklärung (insbesondere die für seinen Standpunkt sprechenden Fakten vorzubringen und zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen) hinderte, kann im Hinblick auf das Vorliegen strittiger Tatfragen jedenfalls nicht als unwesentlich qualifiziert werden, weil die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften (insbesondere §§ 51e, 51f, 51i VStG) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.