10.08.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung gem § 25 Abs 3 BVergG 2006 – keine Festlegung einer Mindestanzahl der aufzufordernden Unternehmer?

Gem § 103 Abs 6 erster Satz BVergG 2006 hat der Auftraggeber jedenfalls eine Mindestanzahl festzulegen, welche nach dem Wortlaut des Gesetzes im nicht offenen Verfahren mindestens fünf betragen muss


Schlagworte: Vergaberecht, nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, keine Festlegung einer Mindestanzahl der aufzufordernden Unternehmer
Gesetze:

§ 25 Abs 3 BVergG 2006, § 103 Abs 6 BVergG 2006

GZ 2009/04/0128, 22.06.2011

 

Unstrittig ist, dass die Auftraggeber mit der vorliegenden Ausschreibung das nicht offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung gem § 25 Abs 3 BVergG 2006 gewählt haben. Weiters unstrittig ist, dass in der Ausschreibung keine Mindest- bzw Höchstzahl von aufzufordernden Unternehmen festgelegt wurden, sondern dass sämtlich geeignete Unternehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten.

 

VwGH: Die Auffassung der belangten Behörde, dass diese Festlegung, alle als geeignet ermittelten Unternehmer zur Angebotsabgabe einzuladen, nicht den Vorgaben des § 103 Abs 6 BVergG 2006 entspricht, kann aus folgenden Erwägungen nicht als rechtswidrig erkannt werden:

 

Die mitbeteiligte Partei weist zu Recht darauf hin, dass gem § 103 Abs 6 erster Satz BVergG 2006 die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer bei nicht offenen Verfahren bei vorheriger Bekanntmachung nicht unter fünf liegen darf. Dies entspricht Art 44 Abs 3 zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2004/18, wonach bei nichtoffenen Verfahren die (zur Abgabe von Angeboten aufzufordernde) Anzahl mindestens fünf Bewerber beträgt und in jedem Fall die Zahl der eingeladenen Bewerber ausreichend hoch sein muss, damit ein echter Wettbewerb gewährleistet ist (vgl in diesem Zusammenhang auch das hg Erkenntnis vom 28. März 2008, 2005/04/0013, in welchem der VwGH auf diese Bestimmung der Richtlinie 2004/18 iZm der Anzahl der Teilnehmer im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nach § 35 Abs 2 BVergG 2002 hinweist).

 

Gem § 103 Abs 6 erster Satz BVergG 2006 hat der Auftraggeber daher jedenfalls eine Mindestanzahl festzulegen, welche nach dem Wortlaut des Gesetzes im nicht offenen Verfahren mindestens fünf betragen muss.

 

Die mitbeteiligte Partei verweist in diesem Zusammenhang auch zu Recht auf die Rsp des EuGH im Urteil vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-225/98, Kommission gegen Französische Republik ("Nord-Pas-de-Calais"). In diesem Urteil hat der EuGH eine Bekanntmachung, in der nur eine Höchstzahl an Bewerbern und somit keine Mindestanzahl festgelegt wurde, als Verletzung des Art 22 Abs 2 der Richtlinie 93/37 gesehen, wonach die Zahl der Unternehmen, die ein öffentlicher Auftraggeber im nicht offenen Verfahren zum Bieten zulasse, keinesfalls unter fünf liegen dürfe.

 

Ausgehend davon ist für die vorliegende Ausschreibung festzuhalten, dass auch im vorliegenden Fall keine Mindestanzahl an aufzufordernden Unternehmen festgelegt wurde. Vielmehr lässt es die Festlegung der vorliegenden Ausschreibung, dass alle als geeignet ermittelten Bewerber zur Angebotsabgabe eingeladen werden, auch zu, dass weniger als fünf Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern sind. Eine derartige Festlegung widerspricht aber § 103 Abs 6 erster Satz BVergG 2006 (und auch Art 44 Abs 3 der Richtlinie 2004/18).