17.08.2011 Wirtschaftsrecht

VwGH: Mitteilung des Auftraggebers, dass "von Minuspreisen grundsätzlich Abstand genommen werden soll" - gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers iSd § 2 Z 16 lit a sublit aa BVergG 2006?

Für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter ist die Mitteilung eines Auftraggebers, es "soll grundsätzlich" von Mindestpreisen Abstand genommen werden, keineswegs als Festlegung in dem Sinn zu verstehen, dass Minuspreise bei sonstiger Ausscheidung des Angebotes nicht angeboten werden dürfen


Schlagworte: Vergaberecht, Entscheidung, sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist, gesondert anfechtbar
Gesetze:

§ 2 Z 16 lit a sublit aa BVergG 2006

GZ 2007/04/0076, 22.06.2011

 

Unstrittig ist, dass ein Mitarbeiter des Auftraggebers mehreren Bietern, darunter der Bf, vor dem Ende der Angebotsfrist mitgeteilt hat, dass bei der gegenständlichen Angebotslegung "von Minuspreisen grundsätzlich Abstand genommen werden soll".

 

Die bf Partei vertritt in ihrer Beschwerde den Standpunkt, es habe sich bei dieser Mitteilung um eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers, nämlich um eine sonstige Festlegung während der Angebotsfrist iSd § 2 Z 16 lit a sublit aa BVergG 2006 gehandelt, die mangels Anfechtung bestandskräftig geworden sei, sodass der Auftraggeber das Angebot der Zuschlagsempfängerin, das unstrittig negative Preise in einzelnen Positionen enthalten habe, ausscheiden hätte müssen.

 

Die belangte Behörde hat demgegenüber im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass es sich bei der genannten Mitteilung um keine Entscheidung des Auftraggebers gehandelt habe.

 

VwGH: Gem § 2 Z 16 lit a sublit aa BVergG 2006 sind näher bezeichnete Entscheidungen des Auftraggebers, darunter sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist, gesondert anfechtbar. Nach der Legaldefinition des § 2 Z 16 leg cit ist als Entscheidung "jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren" zu verstehen.

 

Im konkreten Fall hat der Auftraggeber durch einen Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht, es solle grundsätzlich von Minuspreisen Abstand genommen werden. Bei der Auslegung von Willenserklärungen des Auftraggebers ist der objektive Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt maßgebend. Für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter ist aber die Mitteilung eines Auftraggebers, es "soll grundsätzlich" von Mindestpreisen Abstand genommen werden, keineswegs als Festlegung in dem Sinn zu verstehen, dass Minuspreise bei sonstiger Ausscheidung des Angebotes nicht angeboten werden dürfen.

 

Mit der belangten Behörde ist daher davon auszugehen, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin nicht schon alleine aufgrund des Umstandes auszuscheiden war, dass dieses in fünf Positionen negative Einheitspreise (Minuspreise) enthielt. Vielmehr hatte die belangte Behörde vertieft zu prüfen, ob die in Rede stehenden negativen Einheitspreise (§ 125 Abs 3 Z 2 BVergG 2006) betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind (§ 125 Abs 4 leg cit) und im Falle der Verneinung zu einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises führen, die die Ausscheidung des Angebotes der Zuschlagsempfängerin nach sich ziehen hätte müssen (§ 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006).