24.08.2011 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: § 39 VStG – zur Frage, ob im Falle der Subsidiarität eines Verwaltungsstraftatbestandes dann, wenn die verfolgte Handlung gleichzeitig den Tatbestand der gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, die Beschlagnahme (hier: gem § 53 GSpG) unzulässig ist

Eine Beschlagnahme gem § 39 VStG ist auch dann zulässig, wenn wegen der inkriminierten Handlung gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw zu führen ist


Schlagworte: Beschlagnahme von Verfallsgegenständen, Subsidiarität eines Verwaltungsstraftatbestandes, gerichtlich strafbare Handlung, Zulässigkeit der Beschlagnahme
Gesetze:

§ 39 VStG, § 30 VStG, § 53 GSpG

GZ 2011/17/0097, 20.07.2011

 

VwGH: Mit dem Vorbringen betreffend die Subsidiarität des § 52 Abs 1 GSpG gegenüber § 168 StGB wird geltend gemacht, dass eine Beschlagnahme gem § 53 Abs 1 GSpG nicht zulässig gewesen wäre.

 

Gem § 30 Abs 2 VStG hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, wenn eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. § 39 VStG, der der Sicherung des Verfalls dienen soll, enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Zusammentreffens einer gerichtlichen Strafbarkeit und einer Strafbarkeit nach einer Verwaltungsstrafbestimmung. Auch das GSpG enthielt bis zur Novelle durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 54/2010 keine diesbezügliche Kollisionsregel, zumal sich die in der Beschwerde angesprochene Subsidiarität von Verwaltungsstraftatbeständen nach dem GSpG gegenüber § 168 StGB nur im Wege der verfassungskonformen Auslegung ergab. Mit § 52 Abs 2 GSpG in der genannten Fassung, welche mit BGBl I Nr 111/2010 noch durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Beschlagnahme ergänzt wurde, hat der Gesetzgeber nunmehr nicht nur fugitiv den Tatbestand des § 168 StGB präzisiert und insofern die Subsidiarität ausdrücklich verankert, sondern auch klargestellt, dass ungeachtet dieser Subsidiarität die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 53, 54 und 56a GSpG unberührt bleiben. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids hat somit eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Handhabung der Sicherungsmaßnahmen nach dem GSpG ungeachtet des allfälligen Eingreifens der Strafbarkeit nach § 168 StGB bestanden. Aus dem Wortlaut des § 52 Abs 2 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 54/2010 ist aber überdies abzuleiten, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass mit dieser Anordnung keine Änderung der Rechtslage gegenüber dem bis dahin gegebenen Rechtszustand verbunden ist (arg "bleiben unberührt"; die Erläuterungen zur Regierungsvorlage enthalten diesbezüglich keine Hinweise). Die Materialien zur Novelle BGBl I Nr 111/2010 sprechen von einer Klarstellung gegenüber der bestehenden Rechtslage, worunter aber zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Novelle § 52 Abs 2 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 54/2010 zu verstehen war. Auch den Materialien ist somit insgesamt zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Bezugnahme auf die unberührt bleibenden behördlichen Befugnisse nicht von einer Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand ausgegangen ist. Es sprechen auch gute Gründe dafür, bereits für die Vollziehung nach dem VStG allgemein von der Zulässigkeit der Beschlagnahme auch in Fällen der Subsidiarität des verwaltungsbehördlichen Straftatbestandes gegenüber einem gerichtlichen Straftatbestand auszugehen. Die mit § 52 Abs 2 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 54/2010 und Nr 111/2010 vorgenommene Klarstellung bedeutet somit keine Änderung der Rechtslage.

 

Die Notwendigkeit der Sicherung des Verfalls oder der Einziehung ist im Fall eines subsidiären Verwaltungsstraftatbestandes in gleicher Weise gegeben wie im Fall eines kumulativ neben einem gerichtlichen Straftatbestand anwendbaren Straftatbestandes oder im Falle des gänzlichen Fehlens eines gerichtlichen strafbaren Tatbestandes, der durch die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Handlungen (oder durch einzelne Elemente dieser Handlungen oder durch Teile dieser Handlungen im Zusammenhalt mit weiteren Sachverhaltselementen) verwirklicht sein könnte.

 

Eine ausdehnende Interpretation des § 30 Abs 2 VStG dahin gehend, dass dieser auch eine Beschlagnahme in dem betreffenden Verwaltungsstrafverfahren ausschlösse, ist daher nicht geboten.

 

Da somit eine Beschlagnahme auch dann zulässig ist, wenn wegen der inkriminierten Handlung gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw zu führen ist, stellt sich nicht die Frage, ob dieser Umstand allein die Durchführung der verwaltungsbehördlichen Beschlagnahme ausschließt bzw welcher Grad der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung eines gerichtlichen Straftatbestandes vorliegen muss, um die Beschlagnahme unzulässig zu machen.