07.09.2011 Sozialrecht

VwGH: Antrag auf Zustimmung zur Übertragung "und Verpfändung" eines Pensionsanspruches gem § 98 Abs 2 ASVG

§ 98 Abs 2 ASVG bezieht sich ausschließlich auf die Übertragung – und nicht auch auf die Verpfändung – von Geldleistungsansprüchen; ist das eigentliche Interesse an einer Zustimmung zur Zession in der Abwehr der Privatgläubiger des Anspruchsberechtigten gelegen, so ist dieses Interesse nicht als ein nach § 98 Abs 2 ASVG schutzwürdiges anzusehen


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Übertragung und Verpfändung von Leistungsansprüchen, Darlehen, schutzwürdiges Interesse, Abwehr der Privatgläubiger
Gesetze:

§ 98 ASVG, §§ 1392 ff ABGB

GZ 2011/08/0106, 06.07.2011

 

Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 teilte Frau S der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt mit, sie habe dem Bf gemäß Schuldschein vom 3. Mai 2010 und Pfandbestellungsurkunde vom 3. Mai 2010 über den Zeitraum von 1990 bis 2008 einen Betrag von EUR 60.480,-- als Darlehen bar zugezählt und übergeben. Der Bf habe ihr zur Sicherstellung der Darlehensrückzahlung ua seine Pensionsansprüche verpfändet; sie ersuche daher, das Pfandrecht zu berücksichtigen und Abzüge zu ihren Gunsten vorzunehmen.

 

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 beantragte der Bf die Zustimmung zur Übertragung und Verpfändung der Pensionsansprüche gegenüber der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt in Bezug auf die pfändbaren Pensionsteile einschließlich der Sonderzahlungen zu Gunsten von Frau S gem § 98 Abs 2 ASVG.

 

Der Bf bringt vor, Frau S sei seine Lebensgefährtin. Sinn und Zweck der "Verpfändung bzw Übertragung" sei nicht nur die Entlastung der Darlehensverbindlichkeit; es bestehe darüber hinaus auch ein zivilrechtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch, sodass die Verpfändung bzw Übertragung im Interesse des Anspruchsberechtigten sei, da dieser Anspruch notfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzbar sei. Bei Inanspruchnahme der gerichtlichen Hilfe würden dem Bf erhebliche Gerichtskosten drohen, deren Vermeidung jedenfalls eine Verbesserung der Rechtsposition des Anspruchsberechtigten sei. Der Bf habe auch ein billigenswertes Interesse daran, dass seine Lebensgefährtin mit ihrer Forderung vorrangig gegenüber sonstigen Gläubigern behandelt werde, weil sie dem Bf ihre sämtlichen Ersparnisse für einen wirtschaftlichen Neubeginn zur Verfügung gestellt habe.

 

VwGH: Zunächst ist darauf zu verweisen, dass sich § 98 Abs 2 ASVG ausschließlich auf die Übertragung von Geldleistungsansprüchen bezieht, welcher ausnahmsweise auch in anderen als in den in Abs 1 geregelten Fällen zugestimmt werden kann. Für die Verpfändung ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen.

 

Einer Übertragung von Geldleistungsansprüchen kann nur dann zugestimmt werden, wenn die Übertragung im Interesse des Anspruchsberechtigten oder seiner nahen Angehörigen gelegen ist. Dieses erforderliche Interesse kann begrifflich nicht mit jenem Interesse ident sein, das der Zedent als Vertragspartner des Zessionars an der Rechtswirksamkeit des privatautonom zustande gekommenen Vertragsinhaltes hat, sondern setzt ein objektiviertes, von der Behörde festzustellendes Interesse voraus, das in einer Verbesserung der rechtlichen Situation des Geldleistungsberechtigten gelegen ist und ihn keinem Risiko dabei aussetzt, dass ihm der wirtschaftliche Gegenwert der Versicherungsleistung tatsächlich zufließt.

 

Das in der Abwehr seiner Privatgläubiger gelegene Interesse des Bf (Interesse daran, dass seine Lebensgefährtin mit ihrer Forderung vorrangig gegenüber sonstigen Gläubigern behandelt werde) an der Zustimmung zur Zession stellt kein schutzwürdiges Interesse nach § 98 Abs 2 ASVG dar.

 

Aus der Entlastung von der Darlehensverbindlichkeit an sich ist ein Interesse iSd § 98 Abs 2 ASVG nicht abzuleiten, da der Bf auf die Darlehensverbindlichkeit freiwillige Zahlungen aus der ihm zufließenden Pension leisten kann. Der Umstand, dass mit der Zession Prozess- und Exekutionskosten (samt den damit verbundenen Unannehmlichkeiten) vermieden werden, betrifft lediglich das unbeachtliche Motiv des Leistungsbeziehers für die Forderungsabtretung. Die Schuldentilgung im Wege der Anspruchsabtretung stellt für den Anspruchsberechtigten - gegenüber der laufenden Zahlung aus den Pensionsleistungen - wegen der der Abtretung immanenten Einschränkung der Verfügungsmacht über Teile der Pensionsbezüge eher eine Verschlechterung der rechtlichen Lage dar. In der bloßen Entlastung von einer offenen Darlehensverbindlichkeit kann überdies auch kein Zufließen des wirtschaftlichen Gegenwertes der Versicherungsleistung erblickt werden.